Entscheidungsstichwort (Thema)

Nicht nur vorübergehende Arbeitnehmerüberlassung. keine Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher. Dauerhafte Arbeitnehmerüberlassung durch konzerneigenes Personaldienstleistungsunternehmen. unbegründete Beschäftigungsklage einer Krankenschwester bei fehlendem Arbeitsverhältnis mit Entleiherin

 

Leitsatz (amtlich)

1. Verfügt der Verleiher über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG wird auch bei einer nicht nur vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung ein Arbeitsverhältnis nicht mit dem Entleiher begründet. Auch wenn in diesen Fällen Arbeitsvermittlung zu vermuten wäre, fehlt es nach Wegfall von § 13 AÜG sowie der Vermutungswirkung in § 1 Abs. 2 2. Alt. an einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage (vgl. BAG v. 28.6.2000 - 7 AZR 100/99 - BAGE 95, 165 - 170; BAG v. 2.6.2010 - 7 AZR 946/08 - EzA § 10 AÜG Nr 13).

2. Ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher kann auch nicht im Wege einer richtlinienkonformen Auslegung von §§ 1 Abs. 2, 10 Abs. 1, 9 Nr. 1 AÜG begründet werden. Im Hinblick auf die langjährige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, in der eine solche Sanktion verneint wurde, ist davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber bei der letzten Änderung des AÜG aufgrund der Richtlinie bewusst gegen eine entsprechende Sanktion entschieden hat.

3. Jedenfalls für Verträge, die vor Änderung von § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG abgeschlossen wurden, kann auch kein nach § 242 BGB rechtsmissbräuchliches Schein- oder Strohmanngeschäft angenommen werden.

 

Normenkette

AÜG § 10 Abs. 1, § 9 Nr. 1, § 1 Abs. 1 S. 2; BGB § 242; AÜG § 1 Abs. 2, § 10 Abs. 1 S. 1; BGB § 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 24.04.2012; Aktenzeichen 2 Ca 1365/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 03.06.2014; Aktenzeichen 9 AZR 111/13)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 24. April 2012 - 2 Ca 1365/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht, sowie über einen Beschäftigungsanspruch und schließlich über Ansprüche der Klägerin auf Auskunft über die für vergleichbare Arbeitnehmer der Beklagten geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts.

Die Beklagte ist ein Unternehmen, das Krankenhäuser betreibt, und übernahm mit Wirkung zum Oktober 2006 vom Land Brandenburg insgesamt drei Kliniken in Brandenburg an der Havel, in Lübben und in Teupitz. Aufgrund der unterschiedlichen vertraglichen Gestaltungen finden bei der Beklagten, die selbst nicht tarifgebunden ist, auf die Arbeitsverhältnisse sowohl der TV-L als auch der BAT-O Anwendung.

Die Klägerin wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 20.05.2008/14.06.2008 von der G. M. GmbH, einem demselben Konzern wie die Beklagte angehörenden Personaldienstleistungsunternehmen, das mit einer unbefristet erteilten Erlaubnis die Arbeitnehmerüberlassung innerhalb des Konzerns betreibt, zum 01.08.2008 als Krankenschwester eingestellt. Der Arbeitsvertrag nimmt auf die Tarifverträge mit dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen und der Mitgliedsgewerkschaften des DGB in ihrer jeweiligen Fassung Bezug. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet und wurde später unbefristet fortgeführt. Seit Beginn ihres Arbeitsverhältnisses ist die Klägerin bei der Beklagten im Fachklinikum B. und dort in der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie eingesetzt.

Unter Berufung auf die Einführung des Begriffs "vorübergehend" in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG mit Gesetz vom 28.04.2011 macht die Klägerin mit der vorliegenden, beim Arbeitsgericht Brandenburg am 29. Dezember 2011 eingegangenen Klage den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen ihr und der Beklagten seit dem 01.08.2008, Beschäftigungsansprüche und im Wege der Stufenklage Auskunftsansprüche mit der Begründung geltend, ihre Vertragsarbeitgeberin sei nur als Strohmann für die Beklagte aufgetreten, diese nutze in rechtsmissbräuchlicher Weise die Arbeitnehmerüberlassung, um eigenen Arbeitskräftebedarf auf Dauer zu günstigeren tariflichen Bedingungen abzudecken. Die Beklagte stelle fast nur noch Leiharbeitnehmer ein. Sie selbst habe sich zunächst auf einen bei der Beklagten ausgeschriebenen Dauerarbeitsplatz beworben und sei nach einem Vorstellungsgespräch für den Vertragsabschluss an ihre Vertragsarbeitgeberin verwiesen worden.

Das Arbeitsgericht Brandenburg hat mit Urteil vom 24.04.2012, auf dessen Tatbestand wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestehe nicht aufgrund gesetzlicher Fiktion nach § 9 Nr. 1 und § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG, da die G. M. GmbH unstreitig die erforderliche Erlaubnis gemäß § 2 AÜG besitze. Die Annahme von Arbeitsvermittlung nach § 1 Abs. 2 AÜG führe nach der Rechtsprechung de...

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