Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines "R & D Engineer" wegen Verweigerung von Telearbeit

 

Leitsatz (amtlich)

Der Arbeitgeber ist nicht allein aufgrund seines arbeitsvertraglichen Weisungsrechts berechtigt, dem Arbeitnehmer Telearbeit zuzuweisen.

 

Normenkette

BGB § 626; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 23.02.2018; Aktenzeichen 6 Ca 10310/17)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 23. Februar 2018 - 6 Ca 10310/17 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten vor allem über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die Beklagte, ein Unternehmen des N.-Konzerns, entwickelt Technologien und erbringt Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikationsinfrastruktur. Sie unterhielt u.a. eine Betriebsstätte am W. 28, 13629 Berlin und beschäftigte dort den im Jahr 1954 geborenen und bei ihr bzw. ihren Rechtsvorgängern seit August 1983 tätigen Kläger als "R&D Engineer" gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt ... EUR; der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 40 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.

Die Beklagte gliederte mit Wirkung zum 01.05.2016 auf der Grundlage eines mit dem für ihre Betriebe gebildeten Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen "Interessenausgleichs zur Betriebsspaltung und Überleitung der Beschäftigungsbedingungen zur N. S. and S. GmbH" (Bl. 46 ff. der Akten) den Bereich Kundendienst/Customer aus und übertrug ihn auf die genannte Tochtergesellschaft. Die Arbeitsverhältnisse der in den hiervon betroffenen Organisationseinheiten beschäftigten Arbeitnehmer gingen im Wege des Betriebsteilübergangs auf die Tochtergesellschaft über, die in Berlin seit dem 01.08.2016 eine neue Betriebsstätte am S. 11 unterhielt. Die Organisationseinheit, der der Kläger zugeordnet war, verblieb bei der Beklagten.

Die Industriegewerkschaft Metall vereinbarte mit der Beklagten und weiteren Unternehmen des N.-Konzerns "anlässlich der gesellschaftsrechtlichen Ausgliederung des Bereichs Sales and Services und der Bildung einer eigenständigen Leitungs- und Organisationsstruktur einschließlich der geplanten Anmietung eigener Betriebsräume für die N. S. und S. GmbH" einen "Strukturtarifvertrag N." (Bl. 61 ff.). Nach § 3 Abs. 2 des Tarifvertrags wurden die in Hamburg, Berlin und Leipzig gelegenen Betriebsstätten der tarifschließenden Unternehmen zu einer betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit zum 01.05.2016 zusammengefasst.

Die Beklagte und die N. S. and S. GmbH schlossen mit dem Gesamtbetriebsrat am 24.02.2017 die "N. Gesamtbetriebsvereinbarung 2017/02, zugleich Interessenausgleich und Sozialplan Berlin" (GBV - Bl. 70 ff.) ab, die gemäß Nr. 2.1.1 u.a. die Einstellung der Geschäftstätigkeit der Beklagten in Berlin zum 31.05.2017 zum Gegenstand hat. Nr. 5.8 GBV sieht vor, dass Beschäftigten mit Schwerbehinderung oder ihnen Gleichgestellte bis zum 31.03.2017 ihren bisherigen Positionen gleichwertige Positionen in einem der vertragsschließenden Unternehmen angeboten werden.

Die Beklagte bot dem Kläger mit Schreiben vom 06.04.2017 (Bl. 140 f.) an, bei der N. S. and N. GmbH & Co. KG in Ulm als R & D Engineer tätig zu sein, wobei bis zum 31.05.2019 Telearbeit verrichtet werden sollte. Der Kläger lehnte diese Versetzung ebenso ab wie das Angebot, gegen Zahlung einer Abfindung das Arbeitsverhältnis zu beenden sowie Gespräche über seine berufliche Zukunft zu führen. Er folgte einer Weisung seines Vorgesetzten, Arbeiten in dem Projekt "NTHLR Mediabuild" zu verrichten und in diesem Zusammenhang an einem Training und Teambesprechungen teilzunehmen, nicht; ferner erstellte er entgegen einer Weisung keine Wochenberichte über seine Tätigkeit. Dies nahm die Beklagte zum Anlass, dem Kläger mit Schreiben vom 26.07.2017 (Bl. 13 f.) eine Abmahnung zu erteilen.

Nachdem das Integrationsamt mit Bescheid vom 28.08.2017 (Bl. 23 f.) der außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zugestimmt hatte, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 29.08.2017 (Bl. 95 f) zu dieser Kündigung mit der Begründung an, der Kläger habe beharrlich seine arbeitsvertraglichen Pflichten verweigert. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 04.09.2017 (Bl. 21) fristlos aus wichtigem Grund, nachdem der Betriebsrat sich am 01.09.2017 zu der Kündigungsabsicht geäußert hatte.

Mit seiner Klage hat sich der Kläger gegen die ausgesprochene Kündigung gewandt und die Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte begehrt. Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Von der weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sachverhalts wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.

Das Arbeitsgericht hat durch ein am 23.02.2018 verkündetes Urteil der Klage entsprochen. Die Kündigung sei unwirksam, weil der Beklagten ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB nicht zur Seite stehe. Der Kläger habe seine Arbeitsleistung nicht beha...

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