Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf qualifiziertes Arbeitszeugnis. konstitutives negatives Schuldanerkenntnis

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klausel in einem Prozessvergleich zur Erledigung eines Kündigungsschutzrechtsstreites mit dem Wortlaut: „Mit Erfüllung dieses Vergleichs sind sämtliche gegenseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Arbeitsverhältnis, dessen Beendigung und dem vorliegenden Rechtstreit ausgeglichen.” umfasst grundsätzlich auch den Anspruch des Arbeitnehmers auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses (aA BAG 16. September 1974 – 5 AZR 255/74 –).

2. Ein Verzicht auf den Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses bzw. ein konstitutives negatives Schuldanerkenntnis, das den Anspruch auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses umfasst, kann nach Entstehen des Anspruchs auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses wirksam vereinbart werden.

 

Normenkette

GewO § 109; BGB § 397 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Eberswalde (Urteil vom 10.05.2011; Aktenzeichen 2 Ca 995/10)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 10. Mai 2011 – 2 Ca 995/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Der am … 1949 geborene Kläger war seit dem 1. Dezember 1984 bei der Beklagten als Vertriebsingenieur zu einem Bruttomonatsentgelt von zuletzt 3.541,54 Euro beschäftigt. Der Kläger, der als schwerbehinderter Mensch iSd. § 2 Abs. 2 SGB IX anerkannt ist, war seit Dezember 2006 arbeitsunfähig krank. In einem an die Beklagte gerichteten Schreiben des Klägers vom 16. März 2007 heißt es:

„Wenn ich keine großen finanziellen Einbußen habe, bin ich somit auch bereit, mich aus dem aktiven Arbeitsleben zurückzuziehen, bis ich meine Rente frühestmöglich, nach bisherigem mir bekannten und von der BfA mitgeteilten Erkenntnisstand ab 01.12.2009, erhalte.”

Am 8. Mai 2007 wurde der Kläger in der Firma der Beklagten offiziell verabschiedet. Entsprechend einer zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung stellte die Beklagte den Kläger seit dem 1. Januar 2008 unter Fortzahlung seiner Bezüge bis zum 30. November 2009 von der Erbringung der Arbeitsleistung frei. Kurz vor dem 30. November 2009 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, auch über den 30. November 2009 hinaus in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu stehen. Er wollte ab dem 1. Dezember 2009 die Arbeit wieder aufnehmen; in einer ärztlichen Bescheinigung war die Arbeitsfähigkeit des Klägers bestätigt worden.

Der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten kannten sich gut und waren jedenfalls früher auch miteinander befreundet. In einer E-Mail vom 5. November 2009 schrieb der Kläger an die Geschäftsführerin:

„Das sind Erscheinungsbilder einer „Westunternehmerin”, für die sich bestimmt einige Zeitschriften interessieren werden, und da wir uns hier im Einzugsgebiet Ost befinden, wird das viele ansprechen.”

Diese E-Mail nahm die Beklagte zum Anlass für eine nach dem 30. November 2009 ausgesprochene außerordentliche Kündigung; insgesamt sprach die Beklagte mehrere außerordentliche und ordentliche Kündigungen gegenüber dem Kläger aus.

Der Kläger erhob vor dem Arbeitsgericht Eberswalde Kündigungsschutzklage zum Aktenzeichen 1 Ca 1063/09. Nach einer durchgeführten Beweisaufnahme entschied das Arbeitsgericht am 4. März 2010, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch diverse Kündigungen aufgelöst worden ist, sondern durch den zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvertrag am 30. November 2009 geendet hat. Das Arbeitsgericht ging davon aus, dass hier ausnahmsweise eine mündlich getroffene Aufhebungsvereinbarung das Arbeitsverhältnis tatsächlich beenden konnte. Der Kündigungsrechtsstreit wurde sehr emotional zwischen den Parteien geführt, da sich der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten wechselseitig voneinander verraten und gedemütigt fühlten.

Der Kläger legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Eberswalde Berufung ein. In dem Berufungsverfahren zu den Aktenzeichen 19 Sa 657/10 und 19 Sa 1276/10 schlossen die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 3. August 2010, in der der Kläger und die Geschäftsführerin der Beklagten anwesend waren, einen gerichtlich protokollierten Vergleich und zwar nach Erörterung der Rechts- und Sachlage und auf Vorschlag des Gerichts. Zuvor hatte der Vorsitzende der Kammer 19 des Landesarbeitsgerichts die Parteien darauf hingewiesen, dass bei einem Aufhebungsvertrag der Formzwang gelte und der Kläger sich auf den Formfehler berufen könne. Es wurde auch der Inhalt der vom Kläger geschriebenen E-Mail vom 5. November 2009 im Zusammenhang mit der Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen erörtert. Vor Abschluss des Vergleichs war die Sitzung zweimal für eine Zwischenberatung unterbrochen worden. In den Vergleichsgesprächen zeichnete sich zunächst eine Einigung über die Be...

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