Entscheidungsstichwort (Thema)

Generalklausel als Rahmenvorschrift im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG

 

Leitsatz (amtlich)

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG besteht u.a. bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Die Generalklausel des § 2 Abs. 1 VBG 1 stellt eine ausfüllungsfähige und -bedürftige Rahmenvorschrift im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG dar.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7; VBG 1 § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 06.05.1997; Aktenzeichen 10 BV 10493/96)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 06. Mai 1997 – 10 BV 10493/96 wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Antragsteller, Beschwerdegegner und Beteiligter zu 1) ist der Gesamtbetriebsrat (im folgenden: GBR) für die Betriebe der Antragsgegnerin, Beschwerdeführerin und Beteiligten zu 2) (im folgenden: … GmbH).

Die … GmbH betreibt die Herstellung, Montage und den Vertrieb von Aufzügen und Rolltreppen durch insgesamt etwa 48 Betriebsstätten in der Bundesrepublik Deutschland. Im Unternehmen sind ca. 4190 Arbeitnehmer beschäftigt. Die örtlichen Betriebsräte haben den in Hamburg ansässigen GBR gewählt.

Im vorliegenden Verfahren streiten die Beteiligten um das Mitbestimmungsrecht des GBR für Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die … GmbH stellt allen bei ihr beschäftigten Meistern ein „Field Operation Department” (FOD)-Handbuch zur Verfügung. In diesem befinden sich verbindliche Arbeits- und Sicherheitsanweisungen. Mit Schreiben vom

29. November 1995 informierte die … GmbH den Vorsitzenden des beim GBR gebildeten Ausschusses Arbeitssicherheit über die in den Arbeitsgruppen erarbeiteten Ergebnisse zu Betriebsanweisungen 01/96 bis 05/96 zur Stellungnahme, wobei diese Betriebsanweisungen in der Anlage beigefügt waren. Es handelte sich um die Betriebsanweisungen

– 1/96

Absturzsicherungen

– 2/96

Zugang zum Triebwerks-/Rollenraum

– 2 a/96

Zugang zum Triebwerks-/Rollenraum

– 3/96

Arbeiten auf dem Kabinendach

– 4/96

Arbeiten in der Schachtgrube

– 5/96

Elektrische Betriebsmittel.

Nachdem der GBR auf diese Mitteilung mit Schreiben vom 7. Dezember 1995 reagiert hatte, wandte sich die … GmbH erneut mit Schreiben vom 19. Februar 1996 an den Vorsitzenden des Ausschusses Arbeitssicherheit beim GBR und teilte mit, daß – nach Überarbeitung der Anweisungen – diese nunmehr in das FOD-Handbuch aufgenommen werden sollen. Daß die Arbeitsanweisungen in das FOD-Handbuch aufgenommen wurden, stellte der GBR in der Woche vom 10. bis zum 15. März 1996 fest.

Die Arbeitsanweisungen 1/96–5/96 richten sich an die Monteure der … GmbH bei der Arbeit an Fahrstühlen/Rolltreppen. Sie beschreiben die auftretenden Gefahren bei der Arbeit, bezeichnen die Schutzmaßnahmen und Verhaltensregeln, regeln das Verhalten bei Störungen, bei Unfällen und die Erste Hilfe, bezeichnen die Pflichten bei Instandhaltung und Entsorgung, weisen auf die Folgen der Nichtbeachtung der Arbeitsanweisung hin und bezeichnen letztlich die Basisvorschriften der Unfallverhütung. Wegen der Regelungen der Arbeitsanweisungen 1/96–5/96 im einzelnen wird auf die Anlagen zur Antragsschrift (Kopien Bl. 8 bis 27 d.A.) verwiesen.

Mit seiner beim Arbeitsgericht am 26. März 1996 eingegangenen Antragsschrift hat der GBR beantragt, die … GmbH anzuweisen, die Arbeitsanweisungen aus dem FOD-Handbuch herauszunehmen, und der … GmbH für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld anzudrohen.

Der GBR hat die Auffassung vertreten, die … GmbH habe sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Erstellung der Betriebsanweisungen zur Arbeitssicherheit und deren Aufnahme in das FOD-Handbuch mißachtet. Als Rahmenvorschrift im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG sei die Regelung in § 2 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Allgemeine Vorschriften” anzusehen. Außerdem sei § 4 (Persönliche Schutzausrüstungen) sowie § 33 (Schutz gegen Absturz und herabfallende Gegenstände) der VBG 1 heranzuziehen. Auszufüllende Norm sei weiter § 12 Abs. 3 VBG 37 (Anseilschutz). Arbeitsschutzrechtliche Generalklauseln im Sinne von § 87 Abs. 2 Nr. 7 BetrVG seien weiterhin europarechtskonform auszulegen. Deswegen müsse Artikel 11 der Rahmenrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft (89/391/EWG vom 12.06.1989) berücksichtigt werden.

Demgegenüber hat die … GmbH die Auffassung vertreten, dem GBR stehe ein Mitbestimmungsrecht in bezug auf die bestehenden Arbeitsanweisungen nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht zu. Das Mitbestimmungsrecht beschränke sich auf die Ausfüllung vorgegebener Normen, und zwar allein solcher Normen, welche dem Arbeitgeber einen Entscheidungsspielraum belassen. Eine derartige Rahmenvorschrift sei vorliegend nicht ersichtlich. § 2 UVV 1 (Unfallver...

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