Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückforderung überzahlter Honorare bei rückwirkender Feststellung des Arbeitnehmerstatus. Unbegründete Leistungsklage bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Unwirksamkeit der jeweiligen Vergütungsvereinbarungen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Veränderung des rechtlichen Status eines Mitarbeiters vom Selbständigen zum Arbeitnehmer führt nicht ohne Weiteres zur Unwirksamkeit einer getroffenen Vergütungsvereinbarung.

2. Wird der Arbeitnehmerstatus rückwirkend festgestellt, ist Voraussetzung für einen Rückforderungsanspruch wegen überzahlter Honorare, dass bei dem Dienstberechtigten unterschiedliche Vergütungsordnungen für freie Mitarbeiter und für Arbeitnehmer gelten.

3. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Mitarbeiter selbst kein Arbeitsverhältnis wollte.

4. Nehmen die Parteien fälschlich an, zwischen ihnen bestehe ein freies Mitarbeitsverhältnis, kommt ein Wegfall der Geschäftsgrundlage allein deshalb, weil der Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung entrichten muss, nicht in Betracht.

 

Normenkette

BGB § 812 Abs. 1 S. 1, §§ 313, 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 15.06.2016; Aktenzeichen 6 Ca 270/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.06.2019; Aktenzeichen 5 AZR 178/18)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Offenburg - vom 15.06.2016 - 6 Ca 270/15 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Klägerin ein Rückzahlungsanspruch überzahlte Honorare sowie gezahlter Arbeitgeberanteile zur Rentenversicherung für die Jahre 2004 bis 2009 gegen den Beklagten zusteht.

Der Beklagte war in der Zeit vom 1. Februar 2001 bis 16. März 2009 bei der gemeinnützigen Klägerin, die sich mit Maßnahmen der Arbeitsförderung befasst, als IT-Mitarbeiter beschäftigt. Das Vertragsverhältnis war durch Vermittlung des damals bei der Klägerin beschäftigten Herrn L., der mit dem Beklagten einen IT-Kurs besucht hatte, zustande gekommen. Zu Beginn der Tätigkeit beschäftigte die Klägerin 20 Mitarbeiter und hatte fünf PCs und einen alten Server. Ob der Beklagte zu diesem Zeitpunkt arbeitslos oder als Dozent bei der IHK O. und F. tätig war, ist streitig. Dem Vertragsverhältnis lag zunächst eine nicht näher nachvollziehbare mündliche Vereinbarung zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin Herrn P. und dem Beklagten ohne einen bestimmten Stundenumfang zugrunde. Später folgte, weil die Klägerin eine ISO-Zertifizierung durchführte und deshalb verpflichtet war, ein internes Kontrollsystem einzuführen, ein schriftlicher Dienstleistungsvertrag vom 19. Oktober 2004, dessen Urheberschaft zwischen den Parteien ebenfalls streitig ist (hier wurde der Beklagte als "M.de W." bezeichnet, ABl. 67 der erstinstanzlichen Akte). Vertragsgegenstand war die Errichtung, Beratung und Durchführung der administrativen Tätigkeiten des Computernetzwerkes der Klägerin. Der Beklagte hatte schließlich aufgrund der Geschäftsentwicklung bei der Klägerin Aufgaben auszuführen, die bei einem Netzwerk mit bis zu 120 Rechnern und Servern anfielen und erhielt ein Honorar von zunächst 55,00 DM, in der Zeit von März 2002 bis September 2003 von 40,00 €, in den Monaten Oktober bis Dezember 2003 von 45,00 €, in der Zeit von Januar bis Oktober 2004 von 50,00 € und ab November 2004 von 60,00 € pro angefallener Stunde zuzüglich Umsatzsteuer. Insgesamt leistete die Klägerin so Honorarzahlungen in Höhe von 156.617,45 € an den Beklagten.

Nachdem das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien durch Eigenkündigung des Beklagten vom 16. März 2009 geendet hatte, beantragte dieser am 5. Juli 2009 bei der Deutschen Rentenversicherung Bund Statusfeststellung. Diese stellte mit Bescheid vom 16. Oktober 2009 fest, dass die vom Beklagten ausgeübte Tätigkeit bei der Klägerin ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gewesen sei. Das Widerspruchsverfahren der Klägerin war erfolglos, auf ihre Klage stellte das Sozialgericht Freiburg aber durch Bescheid (SG Freiburg 15. Februar 2013 - S 10 R3 1330/10 -) fest, dass der Beklagte nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen habe. Im Berufungsverfahren hob jedoch das Landessozialgericht Baden-Württemberg mit Urteil vom 9. April 2014 (- L 5 R 1125/13) den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 15. Februar 2013 auf und stellte das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit vom 1. Februar 2001 bis 16. März 2009 fest. Die Entscheidung ist seit dem 17. Mai 2014 rechtskräftig. Darauf wurde die Klägerin auf Zahlung von Arbeitgeberanteilen zur Rentenversicherung für den Zeitraum Dezember 2004 bis März 2009 in Höhe von 6.007,25 € in Anspruch genommen. Mit Schreiben vom 16. Juli 2016 legte schließlich die gesetzliche Krankenversicherung DAK Gesundheit das beitragspflichtige Arbeitsentgelt fest und forderte entsprechende Beiträge von der...

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