Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnfortzahlung

 

Verfahrensgang

ArbG Lörrach (Urteil vom 25.08.1992; Aktenzeichen 1 Ca 341/89)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 25.8.1992 – 1 Ca 341/89 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle für den Zeitraum vom 7.8.1989 bis 16.9.1989 in Höhe von DM 3.837,60 brutto abzüglich von der Betriebskrankenkasse gezahlter DM 2.389,53 netto.

Der am … 1942 geborene, verheiratete Kläger, der italienischer Staatsangehöriger ist, war seit Februar 1974 bei der Beklagten in deren Werk in H. als Wartungsschlosser zu einem Bruttostundenlohn von DM 15,99 bei einer wöchentlichen Regelarbeitszeit von 40 Stunden tätig. Ab 17.7.1989 verbrachten der Kläger, seine Ehefrau R. und die gemeinsamen volljährigen Kinder A. und C. die alle bei der Beklagten arbeiten, ihren bis 12.8.1989 bewilligten Urlaub zusammen in Italien. Während dieses Aufenthalts meldeten sie sich alle krank, und zwar jeweils für einen unterschiedlichen Zeitraum, nämlich

- der Kläger …

vom 07.08.1989 bis 22.09.1989,

- die Ehefrau R.

vom 27.07.1989 bis 20.11.1989,

- der Sohn A.

vom 31.07.1989 bis 22.9.1989,

- die Tochter C.

ab 2.8.1989.

Der Kläger übersandte der Betriebskrankenkasse (nachfolgend BKK) insgesamt fünf „Attestati di Malattia – Regione C. – U.S.L.n.” (vgl. Hülle ABl 195) für den Zeitraum vom 7.8.1989 bis einschließlich 22.9.1989, die bei der BKK zwischen dem 15.8.1989 (erste Bescheinigung) und 25.9.1989 (letzte Bescheinigung) eingingen. Die BKK, die ihren Sitz in B. hat, leitete das „Attestato di Malattia” vom 7.8.1989 an die Beklagte weiter und informierte die Beklagte auch im übrigen. Desweiteren ging bei der BKK bezüglich des Klägers am 6.10.1989 ein Schreiben der … – Regione C. ein, als dessen ausgefüllte Anlagen mit übersandt wurden

  • 1 Vordruck E 115 (Antrag auf Geldleistungen wegen Arbeitsunfähigkeit)
  • 5 Vordrucke E 116 (Ärztlicher Bericht bei Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall, Berufskrankheit)
  • 1 Vordruck E 118 (Mitteilung über Nichtanerkennung/Beendigung der Arbeitsunfähigkeit).

Hinsichtlich des weiteren Inhalts der ausgefüllten Vordrucke wird auf ABl 195 verwiesen.

Die Beklagte bestreitet, daß der Kläger arbeitsunfähig krank gewesen sei und verweigert die restliche Lohnfortzahlung.

Bezüglich des weiteren Sachverhalts im einzelnen wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat gemäß Beschluß vom 12.12.1989 den Rechtsstreit gemäß § 148 ZPO ausgesetzt und dem EuGH mit weiterem Beschluß vom 31.1.1990 gemäß Art. 177 EWG-Vertrag ein Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt, wobei die Fragen wie folgt lauteten:

  1. Sind die Grundsätze in der Rechtssache 22/86 des Urteils des Gerichtshofes – Dritte Kammer – vom 12. März 1987 zur Auslegung von Artikel 18 Absätze 1 und 5 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates ganz oder teilweise auch auf den Fall zu übertragen, daß Träger der Geldleistungen bei Krankheit, wie nach § 1 ff des Lohnfortzahlungsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 27. Juli 1969 (Bundesgesetzblatt I S. 946, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Dezember 1988 – Bundesgesetzblatt I S. 2477), der Arbeitgeber und nicht der Sozialversicherungsträger ist?

    Insbesondere:

  2. Hat der zuständige Träger von Entgeltfortzahlungen im Krankheitsfalle nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland gemäß § 1 ff Lohnfortzahlungsgesetz für die Arbeiter die Feststellungen des Sozialversicherungsträgers des Wohnortes des Arbeitnehmers über den Eintritt und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit seiner Entscheidung über den Anspruch auf Geldleistungen in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht zugrunde zu legen?
  3. Ist die Frage Nr. 1 – für den Fall der Bejahung – auch dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber, der nach § 1 Träger der Lohnfortzahlungsleistung ist, keine tatsächliche oder rechtliche Möglichkeit der Überprüfung der Feststellung des Eintritts der Arbeitsunfähigkeit hat, außer derjenigen, bei der zuständigen Krankenkasse, die jedoch in diesem Fall nicht primär leistungsverpflichtet ist, anzuregen, den Arbeitnehmer durch einen (Vertrauens-)Arzt seiner Wahl im Sinne des Artikels 18 Absatz 5 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 untersuchen zu lassen?

Hierauf hat der EuGH mit Urteil vom 3.6.1992 – C 45/90 – für Recht erkannt:

Artikel 18 Absätze 1 bis 4 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ist dahin auszulegen, daß der zuständige Träger, auch wenn es sich dabei um den Arbeitgeber und nicht um einen Träger der sozialen Sicherheit handelt, in tatsächlicher und in rechtlicher Hinsicht an die vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts getroffenen ärztlichen Feststellungen über...

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