Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung bei Arbeitgeberkündigung innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Will der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis fristgerecht kündigen, für welches das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet, und kann sich der Arbeitgeber nicht auf objektiv vorhandene tatsächliche Umstände zur Begründung der Kündigung stützen, ist die Betriebsratsanhörung nach § 102 Absatz 1 BetrVG ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber dem Betriebsrat seine subjektiven Vorstellungen – auch in Gestalt eines Werturteiles – mitteilt, die ihn zur Kündigung bewogen haben.

2. Tatsächliche Umstände, die objektiv kündigungsrechtlich erheblich sein könnten, auf die der Arbeitgeber indes die Kündigung nicht stützen will, bleiben bei der Beurteilung der Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung auch dann unberücksichtigt, wenn der Betriebsrat sie von einer mit der Bearbeitung von Personalsachen beauftragten Angestellten erfährt, die er in die Betriebsratssitzung gebeten hatte, die indes vom Arbeitgeber nicht beauftragt war, dem Betriebsrat die Kündigungsgründe mitzuteilen.

 

Normenkette

BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 06.11.1996; Aktenzeichen 1 Ca 4665/96)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.11.1998; Aktenzeichen 2 AZR 687/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 06.11.1996 – 1 Ca 4665/96 abgeändert

2. Die Klage wird abgewiesen

3. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

4. Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien besteht auch im Berufungsverfahren Streit darüber, ob die Beklagte/Berufungsklägerin das mit Wirkung ab 01.12.1995 begründete Arbeitsverhältnis des Klägers/Berufungsbeklagten durch Schreiben vom 01.04.1996 wirksam zum 30.04.1996 gekündigt hat.

Die Beklagte/Berufungsklägerin stellt unter anderem Teile aus glasfaserverstärktem Polyester und Polyuretanschaum her. In ihrer Produktion wird mit Lösungsmitteln gearbeitet. Die Bereiche Produktion und Verwaltung sind räumlich getrennt.

Die Beklagte stellte den am 27.10.1969 geborenen, verheirateten Kläger mit Wirkung ab 01.12.1995 als Auftragssachbearbeiter ein. Auf die Ablichtung des diesbezüglichen Schreibens der Beklagten vom 13.10.1995 (Blatt 10 der Akten) wird wegen der Einzelheiten verwiesen Der Kläger erhielt zuletzt ein Monatsgehalt von ca. DM 4.200,00 brutto. Der Kläger war vom 21.02.1996 bis 23.03.1996 arbeitsunfähig krank, nach seiner von der Beklagten bestrittenen Behauptung aufgrund eines Betriebsunfalles

Die Beklagte kündigte das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger zunächst durch Schreiben vom 15.03.1996, auf dessen Ablichtung (Blatt 11 der Akten) wegen der Einzelheiten verwiesen wird, zum 31.03.1996. Die Beklagte hat das Anstellungsverhältnis mit dem Kläger ein weiteres Mal durch Schreiben vom 01.04.1996, dem Kläger zugegangen am 02.04.1996, zum 30.04.1996 gekündigt. Auf die Ablichtung dieses Schreibens (Blatt 12 der Akten) wird wegen der Einzelheiten verwiesen. Zu dieser Kündigung hatte die Beklagte ihren Betriebsrat durch ein vom Inhaber der Beklagten unterzeichnetes Schreiben vom 27.03.1996 gehört. In diesem Anhörungsschreiben, auf dessen Ablichtung (Blatt 19 und 20 der Akten) wegen der Einzelheiten verwiesen wird, heißt es hinsichtlich des Kündigungsgrundes:

Die Kündigung ist erforderlich, da er für die vorgesehenen Arbeiten nicht geeignet ist

Der Betriebsrat der Beklagten behandelte die beabsichtigte Kündigung des Klägers auf seiner Sitzung am 01.04.1996. Zu dieser Sitzung hatte er die Zeugin … hinzugebeten, der bei der Beklagten die Buchhaltung einschließlich Lohnbuchhaltung obliegt und hinsichtlich deren die Beklagte durch eine Hausmitteilung vom 21.12.1993 verlautbart hatte, daß sie persönliche Assistentin des Inhabers der Beklagten sei und in diesem Zusammenhang den Personalbereich eigenverantwortlich übernehme. Auf Fragen von Betriebsratsmitgliedern hat sie diesen den Kläger betreffende Informationen gegeben

Der Betriebsrat hat der beabsichtigten Kündigung des Klägers zugestimmt und dies der Geschäftsleitung der Beklagten durch Schreiben vom 01.04.1996, wegen dessen Wortlautes im einzelnen auf die Ablichtung Blatt 21 der Akten verwiesen wird, mitgeteilt.

Die Beklagte hat im Schriftsatz vom 18.10.1996 die von ihr im Zusammenhang mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses abgegebenen Erklärungen wegen arglistiger Täuschung mit der Begründung angefochten, der Kläger habe es im Rahmen der Einstellungsverhandlungen unterlassen, sie davon in Kenntnis zu setzen, daß er an einer Atemwegserkrankung leide und auch im Einstellungsfragebogen die Frage nach Krankheit verneint, obwohl diese Erkrankung eine Eignung für eine Tätigkeit bei ihr ausschließe, weil bei ihr mit Lösungsmitteln gearbeitet werde

Mit seiner am 22.04.1996 eingereichten Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung der Beklagten vom 01.04.1996

Der Kläger hat geltend gemacht, die Kündigung sei rechtsunwirksam, weil die Be...

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