Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame außerordentliche Kündigung wegen Konkurrenztätigkeit. Beweisverwertungsverbot für rechtwidrig erlangte Erkenntnisse aus Detektiveinsatz zur Aufklärung vertragswidriger Konkurrenztätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1) Eine konkrete und zielgerichtete Datenerhebung durch einen Detektiv wegen des Verdachts einer konkreten Vertragspflichtverletzung unterfällt nicht § § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG, sondern bedarf des Vorliegens der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG.

2) Der Verdacht eines Wettbewerbsverstoßes stellt in der Regel keinen Verdacht einer Straftat dar und kann deshalb eine Datenerhebung gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG nicht rechtfertigen.

 

Normenkette

GG Art. 1 Abs. 3, Art. 2 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1; EMRK Art. 8 Abs. 1; BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1, § 626 Abs. 1; HGB § 60 Abs. 1; BDSG § 32 Abs. 1 Sätze 1-2; ZPO § 286

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 22.10.2015; Aktenzeichen 8 Ca 28/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 29.06.2017; Aktenzeichen 2 AZR 597/16)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 22.10.2015 (8 Ca 28/15) abgeändert.

    1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 11.06.2015 aufgelöst wurde.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
    3. Die Widerklageanträge zu 1), 2) und 3a) werden abgewiesen.
  • II.

    Die Kostenentscheidung über die erstinstanzlichen Kosten bleibt dem Schlussurteil des Arbeitsgerichts vorbehalten. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu 68 %, der Kläger zu 32 % zu tragen.

  • III.

    Die Revision wird für die Beklagte zugelassen. Für den Kläger wird die Revision nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz (nur) noch über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung, sowie auf die Widerklage der Beklagten über Rückzahlung geleisteter Entgeltfortzahlung für den Krankheitsfall, über den Ersatz von Detektivkosten sowie über einen Auskunftsanspruch betreffend Wettbewerbshandlungen.

Der am 00.00.1961 geborene, verheiratete und gegenüber keinen Kindern mehr unterhaltsverpflichtete Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt seit 04. Dezember 1978 als Mitarbeiter im Stanzformenbau. Er bezog zuletzt ein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 3.400,-- Euro.

Die Beklagte stellt Stanzwerkzeuge und Stanzformen her. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb in H. ca. 395 Mitarbeiter. Ein Betriebsrat ist in diesem Betrieb nicht gebildet.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2015 ordentlich zum 31. August 2015 und mit Schreiben vom 27. April 2015 ordentlich zum 30. November 2015 aus krankheitsbedingten Gründen. Gegen diese Kündigungen erhob der Kläger am 06. Februar 2015 und 06. Mai 2015 Kündigungsschutzklagen. Die Beklagte erklärte im Laufe des Verfahrens mit Schriftsatz vom 03. September 2015 (Bl. 145 d. ArbG-Akte), aus diesen Kündigungen keine Rechte mehr gegenüber dem Kläger herzuleiten, diese Kündigungen werden "zurückgenommen".

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis erneut mit Schreiben vom 11. Juni 2015 (Bl. 53 d. ArbG-Akte), dem Kläger zugegangen am 11. Juni 2015, außerordentlich und fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31. Januar 2016. Gegen diese Kündigung richtet sich die vorliegend noch streitige Kündigungsschutzklage, die als Klageerweiterungsantrag am 24. Juni 2015 in das Verfahren eingeführt wurde.

Die Beklagte stützt die Kündigung auf den Verdacht wettbewerbswidriger Konkurrenztätigkeiten des Klägers für die Firma seiner Söhne sowie auf den Verdacht des Erschleichens von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Wegen dieses Verdachts wurde der Kläger mit Schreiben vom 08. Juni 2015 (Bl. 97-99 d. ArbG-Akte) angehört. Der Kläger beantwortete dieses Schreiben nicht.

Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die drei Söhne des Klägers gründeten eine Firma M. S. GmbH (nachfolgend: M. ), welche am 05. November 2013 in das Handelsregister eingetragen wurde und deren Geschäftsführer der Sohn des Klägers, Herr G. A., ist. Dieses Unternehmen wurde unter der Wohnanschrift des Klägers angemeldet, verlagerte seinen Geschäftsbetrieb jedoch bald an eine Betriebsstätte in N.. Gegenstand dieses Unternehmens ist der Stanzformenbau. Insbesondere im Bereich des Stanzformenbaus für den Akzidenzdruck (Wellpappe, Etiketten, Faltschachteln ua.) sind die Geschäftsbereiche identisch mit einem entsprechenden Teil des Geschäftsgegenstands der Beklagten. Auf die Internetauftritte beider Firmen (Bl. 188-194 d. LAG-Akte) wird Bezug genommen.

Die Firma M. schrieb an einen Kunden der Beklagten eine E-Mail, von der der Geschäftsführer der Beklagten am 29. Mai 2015 Kenntnis erhielt. Darin heißt es:

"hätten Sie interesse an Stanzformen, Bandstahlwerkzeuge, Ausbrechwerkzeugen, Rilma ect. wir sind in N. bei H., wir verkaufen unsere Produkte sehr kosten günstig bei gleich Qualität w...

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