Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 03.03.1994; Aktenzeichen 5 Ca 377/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.07.1995; Aktenzeichen 2 AZR 762/94)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg – vom 03.03.1994, Az.: 5 Ca 377/93, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung der beklagten Arbeitgeberin, die als außerordentliche Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.12.1993 erklärt wurde, sowie über einen von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits.

Die Beklagte betreibt eine Gießerei und beschäftigt in ihrem Betrieb in der Regel mehr als 5 vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Die am 16.03.1938 geborene Klägerin ist bei ihr seit dem 17.07.1972 als Arbeiterin zu einem monatlichen Bruttolohn von zuletzt DM 3.500,– beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit die Tarifverträge für die Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden Anwendung. Nach § 4.4. des demnach geltenden Manteltarifvertrags vom 05.05.1990 kann einem Beschäftigten, der das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb mindestens 3 Jahre angehört, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.

Die Beklagte setzt die Klägerin als sogenannte Kernputzerin ein. Zur Durchführung ihrer Arbeit muß sie an ihrem Arbeitsplatz Kerne mit einem Gewicht zwischen 2 kg und 30 kg heben und tragen. Geeignete mechanische Hilfsmittel zur Erleichterung dieser Tätigkeiten stehen nicht zur Verfügung, da nach der unbestritten gebliebenen Darstellung der Beklagten (vergl. die Erklärungen des Beklagtenvertreters in der Kammerverhandlung 1. Instanz vom 03.03.1994 – Abl. 32) „je nach Gestalt und Form des Kerns unterschiedliche Hebeeinrichtungen benötigt würden, um den Kern nicht zu beschädigen; derartige Hebemittel gebe es nicht”.

Die Klägerin leidet an einer „chronisch rezidivierenden Erkrankung der Wirbelsäule”

(vergl. ärztliches Attest vom 04.05.1993, Abl. 23); zuletzt wies sie folgende krankheitsbedingten Fehlzeiten auf:

1990

15 Arbeitstage

1991

36 Arbeitstage

1992

46 Arbeitstage

1993

25 Arbeitstage (bis 31.05.)

Die Fehlzeiten in den Jahren 1992 und 1993 sind auf insgesamt 3 Bruchoperationen zurückzuführen; nach der unbestritten gebliebenen Behauptung der Klägerin ist die zugrundeliegende Erkrankung zwischenzeitlich ausgeheilt.

Am 26.05.1993 legte die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung ihres Orthopäden vom 04.05.1993 (vergl. Abl. 23) vor, in welcher u.a. folgendes ausgeführt ist:

Aufgrund einer chronisch rezidivierenden Erkrankung der Wirbelsäule sollte die Patientin keine schweren Arbeiten verrichten, insbesondere sollte das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, einseitige Körper- oder Zwangshaltung (Knieen, häufiges Bücken, zu langes Stehen auf der Stelle), sowie Arbeiten in Kälte oder Nässe bzw. auf Leitern, Gerüsten oder über Kopf vermieden werden.

Nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag der Klägerin wollte sie mit diesem Attest „lediglich um einen leichteren Arbeitsplatz nachsuchen” (Schriftsatz des Klägervertreters vom 18.07.1994, S. 1 = Abl. 70). Nachdem nach der – bestrittenen – Behauptung der Beklagten ein anderweitiger, geeigneter Arbeitsplatz für die Klägerin nicht gefunden werden konnte, sprach diese mit Schreiben vom 09.06.1993, welches der Klägerin noch am gleichen Tag zuging, eine Kündigung „aus wichtigem Grund mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.1993” aus (vergl. Fotokopie des Kündigungsschreibens, Abl. 4).

Die Klägerin hat mit ihrer am 22.06.1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage in erster Linie die Unwirksamkeit dieser Kündigung geltend gemacht. Bereits aus der Formulierung des Attestes („sollte”) werde deutlich, daß es dessen Zielsetzung gewesen sei, ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter leichteren Bedingungen zu ermöglichen. Das Attest gebe nichts her über eine mögliche Leistungsunfähigkeit, der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses, insbesondere auch die nicht in nennenswertem Umfang aufgetretenen krankheitsbedingten Fehlzeiten, zeigten, daß sie sehr wohl in der Lage sei, die geforderten Arbeiten zu verrichten. Im übrigen sei es der Beklagten ohne weiteres möglich, sie mit einer leichteren Arbeit zu beschäftigen. So gebe es einen freien Arbeitsplatz, an welchem zum Putzen der Kerne lediglich deren Verschieben von einem Band auf einen Arbeitstisch und zurück, nicht jedoch ein Heben und Tragen erforderlich sei. Schlußendlich stehe ihr infolge der Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung ein Anspruch auf vertragsgemäße Beschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rechtsstreits zu.

Die Klägerin hat demgemäß beantragt:

  1. Es wird festgestellt, daß die Kündigung der Beklagten vom 09.06.1993 sozial ungerechtfertigt ist und daß

    das zwischen den Parteien ...

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