Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulässigkeit formulararbeitsvertraglich einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers vereinbarter Ausschlußfristen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Inhalt eines Formulararbeitsvertrages unterliegt aufgrund der strukturellen Unterlegenheit und wirtschaftlichen Abhängigkeit des Arbeitnehmers in besonderer Weise einer Angemessenheitskontrolle nach § 242 BGB in Verbindung mit §§ 8 bis 11 AGBG.

2. Die übermäßige zeitliche Beschränkung der Geltendmachung eines Rechtes oder eine nur einseitige Erschwerung der Geltendmachung sind grundsätzlich unzulässig.

3. Eine Vereinbarung in einem Formulararbeitsvertrag, derzufolge gegenseitige Ansprüche aus einem Beschäftigungsverhältnis verwirken, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten (je nach Fälligkeit) gegenüber dem Arbeitgeber erfolglos geltend gemacht werden, ist unwirksam, wenn nicht besondere sachliche Gründe eine solche Vertragsabrede rechtfertigen.

Eine ergänzende lückenfüllende Vertragsauslegung kommt nicht in Betracht.

 

Normenkette

GG Art. 3; BGB §§ 134, 194ff, 225, 242; HGB § 88; AGBG §§ 8, 11

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Urteil vom 01.03.2001; Aktenzeichen 2 Ca 531/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.03.2003; Aktenzeichen 9 AZR 44/02)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Heilbronn – Kammern Crailsheim – vom01.03.2001 – Aktenzeichen 2 Ca 531/00 – abgeändert:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 1 490,77 brutto zu zahlen.
  2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
  3. Von den Kosten des Rechtsstreites hat die Klägerin 17/25, die Beklagte 8/25 zu tragen.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 3/5, die Beklagte 2/5 zu tragen.

IV. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im zweiten Rechtszug noch über Ansprüche der Klägerin auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld für das Jahr 1998 sowie auf Weihnachtsgeld für die Jahre 1999 und 2000.

Die am 23.08.1971 geborene, verheiratete Klägerin und Mutter war bei der Beklagten, einer …. Ingenieurgesellschaft, die in … einen Fertigungsbetrieb unterhält, ab 01.07.1992 als Montage- und Fertigungsarbeiterin gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt DM 3 040,00 beschäftigt. Die Arbeitsvertragsbedingungen im einzelnen sind im Formulararbeitsvertrag der Parteien (ArbG-Akte Blatt 5) niedergelegt. Darin heißt es unter anderem:

„§ 2 Tarifverträge

() Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag__und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Arbeitgeber geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Anwendung.

(x) Das Arbeitsverhältnis unterliegt nicht der Tarifbindung. Es gelten jedoch die bestehenden Betriebsvereinbarungen.

§ 3 Probe-, Anlernzeit

Die Probe- bzw. Anlernzeit beträgt 4 Wochen. Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis von jeder Seite

() (bei Tarifbindung) mit tarifvertraglicher Mindestfrist von__Wochen

(x) (ohne Tarifbindung) mit der gesetzlichen Mindestfrist von 2 Wochen gekündigt werden.

§ 5 Sonstige betriebliche Leistungen(2)

Die Arbeiterin erhält 30 % Urlaubsgeld, 30 % Weihnachtsgeld nach den tariflichen Bestimmungen(3)/nach den betrieblichen Vereinbarungen(3)/als betriebliche Leistung mit Rechtsanspruch(3). Ein Rechtsanspruch auf eine Weihnachtsgratifikation besteht nicht. Wird eine solche gewährt, stellt sie eine freiwillige, stets widerrufbare Leistung des Arbeitgebers dar(3).

§ 10 Geltendmachung von Ansprüchen

Gegenseitige Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis (zum Beispiel aus Mehrarbeit, rückständigem Lohn u. ä.) sind innerhalb/der tariflichen Frist(3)/von 2 Monaten(3)/geltend zu machen. Bei Beendigung des Beschäftigungsverhättnisses sind alle daraus herrührenden sonstigen Ansprüche innerhalb der tarifvertraglichen Frist(3)/von 3 Monaten(3) nach Beendigung geltend zu machen. Nach Ablauf der genannten Fristen ist der Anspruch verwirkt, sofern er dem Arbeitgeber gegenüber nicht vorher erfolglos geltend gemacht wurde.

Anmerkung(2) bestimmt: In Betracht kommen Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Fahrgelderstattung, Essenszuschuß, Ertragsbeteiligung, Altersversorgung, Wohngeld.

Anmerkung(3) bestimmt: Nichtzutreffendes streichen.”

Die Klägerin erhielt unstreitig von 1993 bis 1996 Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von 30 % einer Monatsvergütung. Im Dezember 1992 hatte sie ein anteiliges Weihnachtsgeld in Höhe von DM 50,00 erhalten. Das Urlaubsgeld wurde regelmäßig am 31.07., das Weihnachtsgeld am 30.11. eines Jahres abgerechnet und ausgezahlt. Ab 1997 bezahlte die Beklagte weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld an die Klägerin. Diese befand sich in der Zeit vom 17.08.1998 bis 17.08.2001 im Erziehungsurlaub.

Mit Anwaltsschreiben vom 07.11.2000 (ArbG-Akte Blatt 6/7) machte die Klägerin Urlaubsgeld für 1997/1998 sowie Weihnachtsgeld für das Jahr 1998 in Höhe von zunächst DM 3 750,00 netto geltend. Dieses Zahlungsansinn...

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