Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 30.09.1999; Aktenzeichen 5 Ca 300/99)

 

Tenor

I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim – Kammern Heidelberg – vom 30.09.99 – Az: 5 Ca 300/99 – wird abgeändert, im Kostenpunkt aufgehoben und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.06.99 nicht aufgelöst wurde.
  2. Im Übrigen wird die Klage – Antrag auf Beschäftigung – abgewiesen.
  3. Im Umfang der Klagabweisung wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Von den Kosten des Rechtsstreites – beider Rechtszüge – trägt die Beklagte 2/3 und der Kläger 1/3.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wehrt sich mit seiner seit dem 05.07.99 anhängigen Klage gegen eine außerordentliche Kündigung vom 23.06.99 und begehrt seine Weiterbeschäftigung.

Der 43-jährige Kläger ist…. Er steht seit dem 01.10.85 in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten als Jugend- und Heimerzieher. Die Beklagte ist eine Rehabilitationseinrichtung …. (…).

Die Beklagte hat sich eine Internatsordnung vom … gegeben, die unter der Überschrift „Gesundheitsvorsorge”

folgendes regelt:

„Rauchen ist Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren nicht gestattet. Bei Jugendlichen über 16 Jahren ist das Rauchen in den Internaten des Schulbereiches nur in den dafür vorgesehenen Räumen gestattet.

Für den Konsum von Alkoholika gelten die Bestimmungen des Jugendschutzgesetzes. Der Verzehr von branntweinhaltigen Getränken ist untersagt. Für den Verzehr von Bier und Wein wird ein verantwortlicher Umgang erwartet, ggf. müssen wir auch diese im Einzelfall einschränken oder verbieten (Suchgefahr und andere medizinische Gründe).

Der Gebrauch sonstiger Rauschmittel ist streng verboten…”.

Der Kläger hat mit einer überwiegend erwachsenen Rehabilitandengruppe gearbeitet, deren Lebensalter zwischen 17 und 24 Jahren liegt. Fünf der insgesamt 30 Rehabilitanden sind pflegeabhängige Schüler/innen.

Im Frühjahr 1998 kam der … in das Internat und wurde der Gruppe des Klägers zugeteilt. Der Kläger wurde sein Kontakt-Erzieher. Herr … ist schwerstbehindert und leidet am sog. Von-Hippel-Lindau-Syndrom, das zum plötzlichen Ausfall von Körperfunktionen führen kann. Er ist Tetraplegiker und an einen Rollstuhl gebunden. Er kann seine Hände nur eingeschränkt und phasenweise benutzen. (…) .

Im Laufe des Jahres 1999 mußte sich Herr … wegen einer Krebserkrankung in stationäre Krankenhausbehandlung begeben. Anschließend befand er sich für die Dauer von zwei Wochen auf ärztlichen Rat im Internat der Beklagten in Quarantäne. In dieser Zeit hatte erneben den Ärzten und ihren Hilfspersonen – lediglich Kontakt mit dem Kläger, der sich auch privat um ihn kümmerte. Herr … klagte in dieser Zeit oft über körperliche Schmerzen und Verzweiflung. In dieser Situation bat er den Kläger, ihm zur Milderung seiner Not eine Haschisch-Zigarette zu drehen. (…) Der Kläger kam aus Mitleid seinem Wunsch von … nach, drehte ihm insgesamt zwei Mal eine Haschisch-Zigarette, zündete sie an, zog an ihr und steckte sie Herrn … in den Mund.

Aufgrund einer schriflichen Denunziation (…) ermittelte die Beklagte gegen den Kläger und hörte ihn schließlich am 17.06.99 an. Der Kläger gab zu, die Haschisch-Zigaretten gedreht zu haben, bestritt aber weitere Vorwürfe. Deswegen hörte die Beklagte den Betriebsrat mit schriflichem Anhörungsbogen vom 18.06.99 – Abl. 61 der Berufungsakte – an. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 22.06.99 unter Hinweis auf humanitäre Gesichtspunkte. Das gleichwohl ausgesprochene Kündigungsschreiben ging dem Kläger noch am 23.06.99 zu.

Die Beklagte hat den Ausspruch der außerordenlichen Kündigung im wesentliche damit begründet, dass der Kläger vorsätzlich gegen das sozialpädagogische Drogenkonzept der Beklagten verstoßen habe. Erschwerend sei gewesen, dass der Kläger als Erzieher in besonderem Maße verpflichtet gewesen wäre, dieses Konzept zu beachten.

Der Kläger hat demgegenüber eingewandt, sich in einer psychischen Ausnahmesituation deswegen befunden zu haben, weil er Mitleid mit dem psychisch und physisch leidenden Rehabilitanden gehabt habe. Wegen seiner Erkrankung habe sich Herr … selbst nicht helfen können. Es habe sich um eine einmalige Ausnahmesituation gehandelt.

Der Kläger hat vor dem Arbeitsgericht beantragt:

  1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 23.06.99 – fürsorglich durch eine damit ausgesprochene fristgemäße Kündigung – nicht aufgelöst wurde.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 23.06.99 hinaus als Jugend- und Heimerzieher in ihrem Internat zu beschäftigen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 30.09.99 die Klage kostenpflichtig abgewiesen. Gegen dieses am 21.10.99 zugestellte Urteil hat der Kläger am 02.11.99 Berufung eingelegt und am 02.12.99 im wesentlichen wie folgt begründet:

Das Arbeitsgericht habe das Wertungsgefälle zwischen außerordentlic...

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