Entscheidungsstichwort (Thema)

Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung aufgrund unbeschränkter Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis

 

Leitsatz (amtlich)

Die treuwidrige Berufung auf eine durch eine unbeschränkte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis formal gedeckte, aber nicht offengelegte, als "Werkvertrag" bezeichnete Arbeitnehmerüberlassung führt nicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen dem Besteller und dem bei ihm eingesetzten Arbeitnehmer (gegen LAG Baden-Württemberg vom 03.12.2014 - 4 Sa 41/14).

 

Normenkette

AÜG §§ 2, 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 17 Abs. 1; VwVfG § 44 Abs. 1; BGB §§ 242, 611 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Aktenzeichen 5 Ca 751/14)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.07.2016; Aktenzeichen 9 AZR 352/15)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses seit 9. Februar 2004 und die Beschäftigung der Klägerin.

Zwischen der am 00.00.1972 geborenen, verheirateten und zwei Kindern unterhaltsverpflichteten Klägerin und der I. GmbH (Vertragsarbeitgeberin) bestand auf der Grundlage des Anstellungsvertrags vom 4. Februar 2004 (Bl. 7 bis 12 d. A.) seit 9. Februar 2004 ein Arbeitsverhältnis. Die Vertragsarbeitgeberin verfügt ausweislich der Urkunde vom 22. April 1998 (Bl. 305 d. A.) seit dem 9. Mai 1995 über eine uneingeschränkte Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Vertragsarbeitgeberin setzte die Klägerin von Anbeginn des Arbeitsverhältnisses an bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, mit der die Vertragsarbeitgeberin als "Werkvertrag" bezeichnete Verträge über die Erbringung von CAD-Konstruktionsleistungen abgeschlossen hatte, in deren Werk in S-U. im Bereich "Technischer Anwendungssupport" als CAD-Konstrukteurin (technische Zeichnerin) ein. Für die Abwicklung der Verträge waren auf Seite der Vertragsarbeitgeberin und der Beklagten jeweils Ansprechpartner benannt. Ab 2011 umfassten die von der Vertragsarbeitgeberin zu erbringenden Konstruktionsleistungen die AdBlue-Tank-Konstruktionen für die Lkw-Entwicklung, Abteilung TP/ESW.

Die Klägerin arbeitete aufgrund einer Vertragsänderung vom 19. Dezember 2011 (Bl. 13 d. A.) an vier Tagen pro Woche 20 Stunden in der Abteilung TP/ESW der Beklagten und erzielte einen durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst von 1.822,63 €. Der Vertrag der Beklagten mit der Vertragsarbeitgeberin endete zum 31. Dezember 2013. Diese kündigte das mit der Klägerin abgeschlossene Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 (Bl. 15 d. A.) unter Berufung auf betriebsbedingte Gründe zum 31. Januar 2014. Über die hiergegen von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage ist noch nicht entschieden worden.

Die Klägerin hat vorgetragen,

der Betrieb der Vertragsarbeitgeberin sei vollumfänglich auf die Beklagte übergegangen. Die Betriebsstätte, in der die Klägerin gearbeitet habe, die Einrichtungen und das sonstige Personal des Teams mit Ausnahme eines ebenfalls bei der Vertragsarbeitgeberin beschäftigten Kollegen der Klägerin seien noch vorhanden. Die Identität der wirtschaftlichen Einheit sei gewahrt, Veränderungen der betrieblichen Organisation seien nicht erfolgt. Der Teilbetrieb, in dem die Klägerin tätig war, werde aufgrund Rechtsgeschäfts, nämlich der Abwicklung des auslaufenden Vertrages, von der Beklagten ohne Unterbrechung fortgeführt. Alle von der Klägerin ausgeführten Aufgaben würden weiterhin im Betrieb der Beklagten erledigt.

Allerdings sei bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten zustande gekommen, da die Klägerin bereits von Anfang an im Rahmen eines sogenannten Werkvertrages ihrer Vertragsarbeitgeberin der Beklagten als CAD-Konstrukteurin überlassen worden sei. Bei der Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Vertragsarbeitgeberin der Klägerin handle es sich um einen Scheinwerkvertrag und in Wirklichkeit um nicht genehmigte und den Anforderungen des § 12 AÜG nicht entsprechende Arbeitnehmerüberlassung. Von ihrer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung habe die Vertragsarbeitgeberin im konkreten Fall keinen Gebrauch gemacht. Der sich über fast 10 Jahre erstreckende Einsatz der Klägerin im Betrieb der Beklagten sei auch nicht mehr als vorübergehende Überlassung im Sinne des § 1 AÜG anzusehen. Die Klägerin sei vollständig in das überwiegend aus Arbeitnehmern der Beklagten bestehende Team integriert gewesen. Sie habe im laufenden Geschäft den Anweisungen der in der Hierarchie der Betriebsorganisation übergeordneten Mitarbeitern der Beklagten unterlegen. Arbeitsanweisungen habe sie stets über E-Mail von verschiedenen Mitarbeitern der Beklagten (s. Bl. 52 bis 228 d. A.) und persönlich (vgl. Bl. 229 bis 240 d. A.) erhalten, jedoch zu keinem Zeitpunkt durch die Vertragsarbeitgeberin. Abstimmungsgespräche hätten grundsätzlich mit dem für die Entwicklung und Betreuung des Projektes "AdBlue-Tank-25 Liter" zuständigen Ingenieur, stattgefunden, der ihr Vorgesetzter und Ansprechpartner gewesen sei. Sie habe mit den zuständigen Stellen der Beklagten ihre Urlaubsplanung abgestimmt, während di...

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