Entscheidungsstichwort (Thema)

Wartezeitkündigung mit verlängerter Kündigungsfrist zur Bewährung

 

Leitsatz (amtlich)

Kündigt der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis noch in der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht zum erstmöglichen Termin nach der Wartezeit, sondern mit einer längeren Kündigungsfrist, so liegt darin jedenfalls dann keine unzulässige Umgehung des Kündigungsschutzes, wenn dem Arbeitnehmer mit der verlängerten Kündigungsfrist eine weitere Bewährungschance eingeräumt werden soll. Einer "verbindlichen" Wiedereinstellungszusage für den Fall der Bewährung bedarf es nicht.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 02.10.2014; Aktenzeichen 6 Ca 1800/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.10.2014 (6 Ca 1800/14) wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten noch während der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers, sowie über die Weiterbeschäftigung des Klägers.

Wegen des erstinstanzlich unstreitigen und streitigen Parteivorbringens sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird gemäß § 69 Abs. 2, 3 Satz 2 ArbGG auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.10.2014 abgewiesen. Es führte zur Begründung aus, der Kläger habe mangels Vollendung der Wartezeit noch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz gehabt. Dass die Beklagte nicht mit der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist gekündigt habe, sondern das Arbeitsverhältnis mit einer längeren Kündigungsfrist von 3 Monaten zum Monatsende beendet habe, stelle keine funktionswidrige Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes dar. Die Verlängerung der Kündigungsfrist sei nicht aus überwiegendem Arbeitgeberinteresse erfolgt. Vielmehr ergebe sich aus dem Kündigungsschreiben, dass die Beklagte dem Kläger eine Bewährungschance haben geben wollen. Eine feste und verbindliche Wiedereinstellungszusage sei hierfür nicht erforderlich gewesen.

Dieses Urteil wurde der Klägerseite am 03.12.2014 zugestellt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Berufung des Klägers, die am 22.12.2014 beim Landesarbeitsgericht einging und zugleich begründet wurde.

Der Kläger rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung.

Er meint, aus der Entscheidung des BAG vom 07.03.2002 (2 AZR 93/01 - AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag Nr. 22) ergebe sich, dass mit einer längeren als der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist nur gekündigt werden dürfe, wenn dem Arbeitnehmer eine Bewährungschance eingeräumt werde und für den Fall einer Bewährung eine Wiedereinstellung "verbindlich" zugesagt werde. Anderenfalls läge eine unzulässige Gesetzesumgehung vor. Dass die Verlängerung der Kündigungsfrist vorliegend im überwiegenden Arbeitgeberinteresse gelegen habe, ergebe sich auch aus der Freistellungsanordnung ab 16.05.2014, mit welcher eine Bewährungsmöglichkeit gerade abgeschnitten worden sei.

Der Kläger beantragt:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 02.10.2014 zu Aktenzeichen 6 Ca 1800/14 abgeändert.

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien aufgrund der Kündigungserklärung der Beklagten vom 26.02.2014 nicht mit Ablauf des 31.05.2014 endete, sondern fortbesteht.
  2. Die Berufungsbeklagte/Beklagte wird verurteilt, den Kläger über den 31.05.2014 hinaus als Account Manager im Bereich Business Development und Vertrieb zu einem Bruttomonatsentgelt von 3.800,00 € sowie zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien vom 24.06.2013 weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gem. § 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.

I.

Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die streitgegenständliche Kündigung vom 26.02.2014 zum 31.05.2014 beendet.

Das Arbeitsgericht hat völlig zutreffend ausgeführt, dass der Kläger mangels Vollendung der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung noch keinen Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz hatte. Eine missbräuchliche und funktionswidrige Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes liegt nicht vor. Insoweit wird zur Meidung von Wiederholungen gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG vollumfänglich auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Die Kammer macht sich diese Begründung ausdrücklich zu eigen.

Le...

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