Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Urteil vom 05.11.1997; Aktenzeichen 11 Ca 70/97)

 

Tenor

1. DasUrteil desArbeitsgerichts Mannheim vom05.11.1997 – Az.: 11 Ca 70/97 – wird abgeändert und im Kostenpunkt aufgehoben.

2 Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Klägerin vom 20.01.1997 nicht aufgelöst wurde.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu bezahlen DM 210,00 (i.W.: zweihundertzehn Deutsche Mark.

4. Die Kosten des Rechtsstreits – beider Rechtszüge – trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Die Klägerin wurde seit Mai 1994 von der Beklagten, einem überörtlichen Einzelhandelsunternehmen, zusammen mit etwa fünfzehn weiteren Arbeitnehmerinnen in deren L. beschäftigt. Im November 1996 vertrat sie viermal und im Dezember dreimal den örtlichen Marktleiter, ohne daß ihr die betriebsübliche Vertreterzulage in Höhe von insgesamt DM 210,00 vergütet wurde.

Bei einer im November 1996 durchgeführten Inventur wurde eine Warendifferenz – in nicht genannter Höhe – festgestellt.

Mit Schreiben vom 20.11.1996 beauftragte die Beklagte eine Detektei mit der Überwachung mehrerer Filialen, u. a. derjenigen in L.:

„… folgende Märkte sollen überwacht werden … Bitte stimmen Sie die Termine mit den zuständigen Bereichsleitern ab …”

Der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat erhielt hiervon eine Kopie, auf die er nicht weiter reagierte.

Eine von der vorerwähnten Detektei für die Dauer von drei Tagen an der Kasse der L. Filiale versteckt installierte Videokamera zeichnete auf, wie die Klägerin am 03.12.1996 an der Kasse sitzend jeweils nach sicherndem Rundumblick

  • einen Müsliriegel verspeiste
  • und zu einem anderen Zeitpunkt einige Geldstücke unter dem Standfuß eines Bonspiesses hervorholte und in ihre Hosentasche steckte.

Am 20.01.1997 baten der Gebietsleiter J. und der Gebietsverkaufsleiter H. die Klägerin zu einem Gespräch, dessen Dauer die Beklagte mit höchstens 25–30 Minuten, die Klägerin aber mit etwa zwei Stunden angibt. Unstreitig ist indes, daß die Klägerin zu Beginn einen ihr vorgelegten Erklärungsvordruck unterzeichnete, wonach sie den Anwesenden gegenüber keinerlei Angaben machen müsse, jederzeit den Raum verlassen könne, gleichwohl aber im Kreise der hier Anwesenden Aussagen machen wolle, da es ihr ausdrücklicher Wunsch sei, daß dieser Vorgang intern geregelt und keine Polizei und sonstige Institutionen hinzugezogen würden. Sodann auf die möglichen Ursachen der Inventurdifferenz angesprochen, verwies die Klägerin auf möglichen Kundendiebstahl und stellte den sodann erhobenen Vorwurf, selbst Ware entwendet zu haben, in Abrede. Daraufhin eröffneten ihr die Herren, daß sie bei der Arbeit gefilmt worden sei, und legten, wohl um ihrer Behauptung, gegen sie bestehe der Verdacht, wenn nicht der Nachweis strafbarer Handlungen, Nachdruck zu verleihen, ein Videoband auf den im Gesprächsraum befindlichen Tisch. Sie solle freiwillig eine Aussage machen und gestehen. Allerdings bedauerten sie, der Bitte der Klägerin, das Band vorzuspielen, deswegen nicht nachkommen zu können, weil sie zwar das Band, nicht aber zugleich die hierfür benötigte technische Einrichtung mitgebracht hätten. Auch beantworteten sie nicht die hieran anschließende Frage der Klägerin nach dem Inhalt der Aufzeichnung. Dafür erklärten die Herren, nach alldem, was geschehen sei bestehe entweder die Möglichkeit einer freiwilligen Einigung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder einer förmlichen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft. Auf die Frage der Klägerin, ob die Herren etwa darauf anspielen würden, daß ein Kunde, wohl am 03.12., DM 1,60 für die – unstreitig von der Klägerin mittels Kassenbuch verwaltete – Kaffeekasse der Belegschaft gespendet und daß sie diesen von einer Vorgängerin auf dem Kassentisch deponierten Betrag in die Tasche gesteckt habe, um ihn anschließend der Kaffeekasse zuzuführen, entgegnete Herr H. es drehe sich nicht um dieses Kleingeld, sondern es gehe um ganz andere Beträge.

Im weiteren Verlauf des Gespräches gab die Klägerin schließlich an, etwas entwendet zu haben, und bestätigte dies handschriftlich in der Weise, daß sie auf dem bereits erwähnten Erklärungsvordruck unter der Überschrift „Freiwillige Erklärung und freiwilliges Geständnis” nachstehende Worte setzte und unterschrieb:

„Ich habe mal DM 20,00 aus der Kasse genommen, indem ich die Leerguttaste gedrückt habe. Die 20 DM habe ich vor 2–3 Wochen eingesteckt. Weitere Straftaten habe ich nicht begangen.”

Sodann schrieb sie auf Anregung der Herren, aber ebenso freiwillig und eigenhändig ein Kündigungsschreiben zum 20.01. und unterzeichnete schließlich eine vorgefertigte Verzichtserklärung, in welcher sie nicht nur anerkannte, daß ihr Arbeitsverhältnis am vorerwähnten Tag ende, sondern auch, daß ihr keine Ansprüche mehr gegen die Beklagte zustünden und sie zudem auf das Recht verzichte, den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen.

Diese Erklärungen focht die Klägerin mit Schreiben vom 30.01.1997 mit der Begründung an, ihr sei widerrechtlic...

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