Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Wunschs der Arbeitnehmerin nach zeitlich begrenzter Beschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Wunsch der Arbeitnehmerin nach einer nur zeitlich begrenzten Beschäftigung kann die Befristung des Arbeitsverhältnisses gem. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG sachlich rechtfertigen.

2. Ein Wunsch liegt aber noch nicht vor, wenn die Arbeitnehmerin mit dem Arbeitgeberangebot eines befristeten Arbeitsvertrages lediglich einverstanden ist.

3. Von einem Wunsch kann allerdings dann gesprochen werden, wenn die Arbeitnehmerin nach einer langen Überlegungsfrist das Angebot ihres Arbeitgebers an seine leitenden Führungskräfte zur Umwandlung des unbefristeten Arbeitsvertrages in ein zum 60. Lebensjahr befristetes Arbeitsverhältnis zusammen mit attraktiven finanziellen Anreizen (Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung ab dem 60. Lebensjahr, Zahlung eines Einmalkapitals) annimmt. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Arbeitgeber seinen leitenden Führungskräften das Angebot unter Hinweis auf Beratungsmöglichkeiten und der Einräumung einer 28-monatigen Überlegungsfrist unterbreitet und die Arbeitnehmerin dieses unbeeinflusst annimmt.

 

Normenkette

TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 16.07.2014; Aktenzeichen 2 Ca 7128/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.01.2017; Aktenzeichen 7 AZR 236/15)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 16.07.2014 - 2 Ca 7128/13 - wird zurückgewiesen.
  2. Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.

Die am ............. geborene Klägerin war bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen seit 1. Februar 1987 beschäftigt, zuletzt als Leiterin der Abteilung "C.....". Dem Arbeitsverhältnis lag der zuletzt abgeschlossene schriftliche Arbeitsvertrag vom 30. Januar/19. Februar 1996 zu Grunde (Anlage K2, Bl. 13 bis 16 der erstinstanzlichen Akte). In diesem Arbeitsvertrag sind u. a. folgende Bestimmungen enthalten:

"7. Altersversorgung

...

17. Beendigung des Arbeitsverhältnisses".

Seit Februar 1996 war die Klägerin Mitglied des Führungskreises einer Rechtsvorgängerin der Beklagten.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, ein Großunternehmen der Automobilindustrie, stellte im Jahr 2003 die betriebliche Altersversorgung für ihre Leitenden Führungskräfte um. Die neue betriebliche Altersversorgung für Leitende Führungskräfte, genannt "Pension Capital", orientiert sich nicht mehr alleine am Monatsgehalt der Beschäftigten. Vielmehr wird der Versorgungsbeitrag in Form von Kapitalbausteinen auf einem Versorgungskonto dokumentiert und im Versorgungsfall in verschiedenen Formen ausbezahlt (Pension Capital, Bl. 193 bis 213 der zweitinstanzlichen Akte). Dabei erwerben die Beschäftigten u. a. einen Anspruch auf das Versorgungsguthaben als vorzeitige Altersleistung, wenn das Arbeitsverhältnis ab Vollendung des 60. Lebensjahres vor Erreichen der festen Altersgrenze endet (5.3.2 der Versorgungsbestimmungen Pension Capital).

Neben der neuen betrieblichen Altersversorgung gibt es bei der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin für Leitende Führungskräfte seit dem Jahr 2003 das "Konzept 60 +" (Bl. 223 bis 333 der zweitinstanzlichen Akte). Nach diesem Programm wollte die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Arbeitsvertragsdauer ihrer Leitenden Führungskräfte auf das 60. Lebensjahr begrenzen. Sie begründete die Umstellung des Vertragsalters u. a. damit, dass auch schon seither das tatsächliche Austrittsalter der Leitenden Führungskräfte bei 60 lag und die Mehrzahl der Leitenden Führungskräfte bereits ab diesem Alter ein Ruhegehalt bezog. Im Rahmen dieses Programms bot die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin allen neu eingestellten und neu ernannten Führungskräften seit Anfang 2003 grundsätzlich nur noch zum 60. Lebensjahr befristete Arbeitsverträge an. Unbefristet beschäftigten Leitenden Führungskräften, wie der Klägerin, bot die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Rahmen des "Konzeptes 60 +" die Befristung des Arbeitsvertrages zum 60. Lebensjahr an.

Insgesamt bot die Beklagte 2.685 unbefristet beschäftigten Leitenden Führungskräften im Jahr 2003 die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 60. Lebensjahr an. 1.191 Leitende Führungskräfte (ca. 41,6 %) nahmen das Angebot an.

Auch der Klägerin übermittelte die Rechtsvorgängerin der Beklagten das Angebot zur Befristung des Arbeitsvertrages. Im Dezember 2002 erhielt sie ein Schreiben, in dem die Programme "Pension Capital" und "Konzept 60 +" erläutert wurden (Anlage K7, Bl. 24/25 der erstinstanzlichen Akte).

Im August 2003 bekam die Klägerin ein weiteres Schreiben (Anlage K9, Bl. 27 der erstinstanzlichen Akte), dem die Broschüre "Konzept 60 +" beigefügt war. In dem Schreiben sind u. a. folgende Sätze enthalten:

"Ihre Entscheidung für 60 plus sollten Sie gut informiert und in Ruhe treffen können. Aus diesem Grund gil...

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