Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegfall der Geschäftsgrundlage eines Sozialplanes. Voraussetzungen der nachträglichen Änderung eines Sozialplanes. gerichtliche Billigkeitskontrolle bei Änderung des Verteilungsmaßstabes. Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage konnte den Betriebspartnern unter dem Geltungsbereich der KonkursO das Festhalten an einem Sozialplan nicht zugemutet werden, wenn bei dessen weiterer Durchführung der Arbeitgeber Konkursantrag hätte stellen müssen.

2. In solch einem Fall ist die nachträgliche Änderung des Sozialplanes zur Vermeidung des Konkursverfahrens (und einer damit einhergehenden Quote von 20 % für die berechtigten Arbeitnehmer) zulässig, wenn durch Nachverhandlungen für alle Arbeitnehmer mindestens 60 % des ursprünglichen Abfindungsvolumens gesichert werden können.

3. Es verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn bei einer nachträglichen Sozialplanänderung die noch offenen Abfindungsansprüche der über 54jährigen Arbeitnehmer lediglich um 20 %, die der übrigen Mitarbeiter aber um 40 % gekürzt wurden. Der unterschiedliche Kürzungsmaßstab erscheint im Hinblick auf die weitaus schwerwiegenderen Folgen eines Arbeitsplatzverlustes für ältere Arbeitnehmer sachlich noch gerechtfertigt.

 

Normenkette

GG Art. 3 Abs. 3; BetrVG 1972 § 112; BGB § 242

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 12.02.1998; Aktenzeichen 17 Ca 6403/97)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom12.02.1998 – Az.: 17 Sa 6403/97 – wie folgt abgeändert:

Die Klage – Haupt- und Hilfsantrag – wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des gesamten Rechtsstreits zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf restliche Sozialplanabfindung in Höhe von DM 38.280,00 brutto (Klage – Haupt- und Hilfsantrag) sowie über die Rückzahlung bereits geleisteter Abfindungsbeträge aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (Hilfswiderklage).

Bei der Beklagten handelt es sich um ein alteingesessenes … Unternehmen, welches bis 1994 ca. 400 Mitarbeiter beschäftigt hatte und Schleifmaschinen, Lederbearbeitungsmaschinen, Spindeln sowie Polygonschleifgeräte herstellte. Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten schlossen die Betriebspartner am 12.05.1993 („58er-Regelung”) und am 24.09.1993 („57er-Regelung”) Betriebsvereinbarungen ab. Am 12.05.1994 vereinbarten sie infolge einer weitergreifenden Betriebsänderung einen Interessenausgleich gemäß § 112 BetrVG. Dieser beinhaltete die Schließung des Produktbereichs Schleifmaschinen zum 30.09.1994, die Übernahme des Bereichs Polygonschleifen sowie die Auslagerung der Produktbereiche Ledermaschinen und Spindeln zum 30.09.1994 nach … Der zuletzt genannte Produktbereich wird von der Firma … mit ca. 90 Beschäftigten weitergeführt. Die vormalige Betriebsstätte der Beklagten in … und … ist aufgelöst.

In Ergänzung des Interessenausgleiches vereinbarten die Betriebspartner außerdem einen weiteren Sozialplan (ebenfalls vom 15.02.1994), dessen Gesamtvolumen die Beklagte mit ca. 18 bis 19 Mio. DM beziffert hat. Bei dessen Unterzeichnung gingen sie davon aus, dass sich die Verbindlichkeiten der Beklagten gegenüber Dritten auf ca. 22 Mio. DM beliefen und aus der Veräußerung des Firmengrundstücks der Sozialplan finanziert werden könne. In Ziff. 5 des Sozialplans ist bestimmt:

„Die mit diesem Sozialplan geregelten Abfindungsbeträge werden aus dem Verkaufserlös der Gesamtgrundstücke … und … finanziert. Es werden folgende Auszahlungsregelungen vereinbart:

  1. Die Abfindungen nach Ziff. 1 werden in monatlichen Beträgen von 20 % des letzten Nettobezuges, beginnend mit dem Monat nach dem Austritt ausbezahlt. Abweichend hiervon werden während einer evtl. Sperr- und Ruhenszeit 80 % des letzten Netto-Gehaltes/-Lohnes ausbezahlt. Sobald der Verkaufserlös aus dem Grundstück zur Verfügung steht, wird der dann noch offene Restbetrag auf einmal zur Zahlung fällig.
  2. Die Abfindungen nach Ziff. 2 werden in den ersten Monaten nach dem Austritt, bis zum Ablauf der Sperr- und Ruhenszeit, in monatlichen Beträgen von 80 % des letzten Netto-Gehaltes/-Lohnes ausbezahlt. In den Monaten mit Arbeitslosengeldbezug wird der Abfindungsbetrag in monatlichen Beträgen von jeweils 20 % des letzten Netto-Gehaltes/-Lohnes ausbezahlt.

    Nach Ablauf des Arbeitslosengeldbezuges wird der Abfindungsbetrag wieder auf 80 % des Nettobezuges erhöht.

  3. …”

An die Ziff. 5 schließen sich die Auszahlungsregelungen an. Nach Ziff. 10 trat die Regelung am 15.02.1994 in Kraft und endete am 31.03.1995.

Die im Sozialplan angeführten Grundstücke wiesen eine Gesamtfläche von 36.500 qm auf. Bis zum 31.01.1996 konnten 31.800 qm verkauft werden, nicht aber das letzte Teilgrundstück über 4.678 qm.

Der Kläger war bis 30.09.1994 bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis endete auf Grund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung. Er sollte nach dem Sozialplan eine Abfindung in Höhe von DM 109.000,00 erh...

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