Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechte des Betriebsrats bei Übertragung eines neuen Aufgabenbereichs an einen leitenden Angestellten mit Verlust des Status

 

Leitsatz (amtlich)

Wird einem leitenden Angestellten ein neuer Aufgabenbereich übertragen, der dazu führt, dass dieser den Status als leitender Angestellter verliert, hat der Betriebsrat im Hinblick auf die Zuweisung der neuen Tätigkeit nur ein Informationsrecht nach § 105 BetrVG, nicht jedoch ein Beteiligungsrecht nach § 99 BetrVG. Der Arbeitgeber hat jedoch bei der Bewertung der neuen Tätigkeit die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung in eine bestehende Vergütungsordnung einzuholen.

 

Normenkette

BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 14.04.2015; Aktenzeichen 2 BV 5/14)

 

Tenor

  1. Auf die Beschwerde des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 14.04.2015, Az. 2 BV 5/14 teilweise abgeändert.

    Der Arbeitgeber wird verpflichtet, das Zustimmungsersetzungsverfahren zur beabsichtigten Eingruppierung des Mitarbeiters S. einzuleiten.

  2. Die weitergehende Beschwerde des Betriebsrats wird zurückgewiesen.
  3. Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligte zugelassen.
 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren über die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats im Zusammenhang mit der Beschäftigung des Arbeitnehmers S. beim Antragsteller.

Der Antragsteller (im Folgenden: Arbeitgeber) ist ein eingetragener Verein. Der Antragsgegner ist der im Betrieb des Arbeitgebers gebildete Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat).

Der seit 01.01.1985 beim Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmer S. war vormals Kreisgeschäftsführer des Arbeitgebers. Nach der gültigen Vereinssatzung des Arbeitgebers ist der Kreisgeschäftsführer besonderer organschaftlicher Vertreter im vereinsrechtlichen Sinne gemäß § 30 BGB. In ihrem Rahmen verlieh die Vereinssatzung des Arbeitgebers Herrn S. beschränkte organschaftliche Vertretungsmacht.

Mittels Schreibens vom 27.12.2011 kündigte der Arbeitgeber das mit Herrn S. bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich. Zudem berief der Arbeitgeber Herrn S. als Kreisgeschäftsführer ab.

Gegen die außerordentliche Kündigung des Arbeitgebers vom 27.12.2011 erhob Herr S. mit Klage vom 17.01.2012 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Karlsruhe, welche unter dem Aktenzeichen Ca geführt worden ist. Der Rechtsstreit wurde rechtskräftig an das Landgericht Baden-Baden verwiesen.

In einem nach rechtskräftiger Verweisung durch das Arbeitsgericht beim Landgericht Baden-Baden unter dem Aktenzeichen O fortgeführten Kündigungsschutzverfahren hat die IV. Zivilkammer des Landgerichts Baden-Baden in ihrem Urteil vom 10.03.2014 die Beklagte unter anderem wegen Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigungen zur Weiterbeschäftigung als Kreisgeschäftsführer zu den Bedingungen des Arbeitsvertrages vom 23.11.1995 verpflichtet.

Gegen dieses Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 10.03.2014 hat der Arbeitgeber Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe eingelegt. Der Kündigungsrechtsstreit ist derzeit beim Oberlandesgericht Karlsruhe unter dem Aktenzeichen U anhängig. Das dortige Verfahren ruht derzeit wegen schwebender Vergleichsverhandlungen zwischen dem Arbeitgeber und Herrn S..

Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung des zugunsten von Herrn S. unter Ziff. 5 des Urteilstenors des Urteils des Landgerichts Baden-Baden vom 10.03.2014 titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs als Kreisgeschäftsführer nahm der Arbeitgeber Vergleichsverhandlungen, zunächst über eine beabsichtigte Prozessbeschäftigung, mit Herrn S. auf.

In seinem Schreiben vom 24.03.2014 wandte sich der Arbeitgeber wie folgt an den Betriebsrat:

"Unterrichtung nach § 99 BetrVG

Sehr geehrte Damen und Herren Betriebsräte,

der Kreisverband führt derzeit einen Kündigungsrechtsstreit mit Herrn S.. Das Landgericht Baden-Baden hat mit Urteil vom 10.03.2014 (Anlage) der Klage des Herrn S. stattgegeben und den Kreisverband u. a. dazu verurteilt, Herrn S. als Kreisgeschäftsführer weiter zu beschäftigen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Gegen das Urteil hat der Kreisverband unter dem 21.03.2014 in maßgeblicher Hinsicht Berufung eingelegt.

Auf der letzten Aufsichtsrats- / Vorstandssitzung wurde beschlossen, Herrn S. eine sog. Prozessbeschäftigung anzubieten. Das Angebot erfolgt in erster Linie zur Abwendung der jetzt schon zulässigen Zwangsvollstreckung.

Der Kreisverband geht primär davon aus, dass es sich um eine schlichte oder faktische Weiterbeschäftigung handeln wird. Als solche unterliegt die Maßnahme nicht zwangsläufig der Mitbestimmung.

Herr S. soll während des Prozesses allerdings nicht als Kreisgeschäftsführer, sondern als Leitung der Sachverwaltung E. und Mitarbeit in der Organisation der B. weiterbeschäftigt werden. Ich verweise auf die beigefügten Stellenbeschreibungen. Hiermit muss Herr S. aber einverstanden sein. Die Beschäftigung ist daher u.U. nur durch Vereinbarung eines förmlichen Prozessarbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 4 TzBfG möglich. Di...

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