Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwertfestsetzung. Bewertung eines Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Streitwert eines Anspruchs auf Erteilung oder Abänderung eines Zeugnisses ist nicht pauschal nach der Höhe der Vergütung des Arbeitnehmers im bisherigen Arbeitsverhältnis zu bestimmen, sondern nach den individuellen Verhältnissen zum Zeitpunkt der Klageerhebung, die das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Durchsetzung des Anspruchs kennzeichnen.

 

Normenkette

BGB § 630; GKG § 48 Abs. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 22.05.2006; Aktenzeichen 11 Ca 108/06)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 22. Mai 2006 – 11 Ca 108/06 – abgeändert:

Der für die Gerichtsgebühren maßgebliche Wert wird auf 5.648,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen die Wertfestsetzung des Arbeitsgerichts nach § 63 Abs. 2 GKG.

Gegenstand des Ausgangsverfahrens war neben einem Zahlungsantrag über 648,00 EUR ein auf die Änderung eines von der Beklagten des Ausgangsverfahrens erteilten qualifizierten Zeugnisses gerichteter Klageantrag. Das Zeugnis hatte unter anderem folgende Ausführungen enthalten:

An der Arbeitsmotivation und -Befähigung war kaum etwas auszusetzen. Herr (Name) arbeitete im allgemeinem zuverlässig und zügig. Sein Umgang mit Betriebsmitteln und Materialien war gut.

Seine Arbeitsergebnisse entsprachen der erforderlichen Qualität. Dies trifft auch für die Arbeitsmenge und das Arbeitstempo zu.

Herr (Name) entsprach im großen und ganzen unseren Erwartungen, so dass wir mit seiner Arbeit insgesamt zufrieden waren.

Die Zusammenarbeit mit Kollegen verlief reibungslos.

Vor Erteilung des Zeugnisses hatte der 32 Jahre alte Kläger das Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung hatte er bereits eine neue Arbeitsstelle angetreten.

Das Verfahren hat durch Prozessvergleich geendet.

Die Beteiligten zu 1 haben danach beantragt, den Streitwert auf 3.648,00 EUR festzusetzen, ausgehend davon, dass der Wert des Zeugnisanspruchs in Höhe eines Bruttomonatsgehalts von 3.000,00 EUR festzusetzen sei.

Das Arbeitsgericht hat im angefochtenen Beschluss den Streitwert für das Verfahren auf insgesamt 2.148,00 EUR (1.500,00 EUR für das Zeugnis) festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1, wegen deren Begründung auf die Beschwerdeschrift vom 07.06.2006 (Bl. 34 f. der Akte) Bezug genommen wird.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie hierher vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes den in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG genannten Wert übersteigt. Beteiligt werden am Beschwerdeverfahren nur noch der Kläger und seine Beschwerde führenden Prozessbevollmächtigten, da der Rechtsstreit durch einen alle Streitgegenstände erfassenden Prozessvergleich beendet worden und der Arbeitgeber nicht durch anwaltliche Bevollmächtigte vertreten worden ist. Deshalb ist unter keinem Bezugspunkt anzunehmen, dass er von dem vorliegenden Verfahren in irgendeiner Form tangiert wäre. Auf die Beteiligung des Arbeitgebers kann demnach verzichtet werden. Hiergegen hat er sich auch nicht gewandt.

2. Die Beschwerde ist auch in der Sache gerechtfertigt.

Die Auffassung des Arbeitsgerichts bezüglich des Antrags auf Erteilung eines Zeugnisses kann nicht geteilt werden. Die Bewertung mit lediglich 1.500,00 EUR wird der wirtschaftlichen Bedeutung eines Anspruchs auf Abänderung des erteilten Zeugnisses für einen 32jährigen Arbeitnehmer, auch wenn er selbst gekündigt und zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits eine neue Arbeitsstelle angetreten hat, nicht gerecht.

Maßgeblich ist nach § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der begehrten Leistung. Allerdings kann entgegen der von den Beschwerdeführern offenbar vertretenen Auffassung nicht unbesehen von einer Monatsvergütung ausgegangen werden. Der von ihnen genannten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht gefolgt werden, da sie von unrichtigen Voraussetzungen (Ausstrahlung der Wirkung des § 42 Abs. 4 GKG auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und pauschale Bewertung ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Wert der erstrebten Entscheidung und die Parteirolle) ausgeht und zu Ergebnissen führt, die nicht für angemessen zu erachten sind.

Entscheidend für die Höhe des nach freiem Ermessen festzusetzenden Streitwerts ist das wahre wirtschaftliche Interesse des Angreifers an dem mit dem Verfahren erstrebten Rechtszustand. Dabei gibt regelmäßig die noch vom Ausgang des Rechtsstreits unbeeinflusste Angabe in der Klage- oder Antragsschrift ein wertvolles Indiz für dieses maßgebende Interesse (vgl. etwa KG Berlin, Beschluss vom 06. April 1999 – 5 W 12/99 – NJW-RR 2000, 285 f.). Allerdings kommt es auf das objektive Interesse und nicht auf einen Phantomwert an. Bei einem Anspruch auf Änder...

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