Entscheidungsstichwort (Thema)

Umfang des Unterrichtungsanspruches des Betriebsrates nach § 80 Absatz 2 Satz 1 BetrVG

 

Leitsatz (redaktionell)

Für das Bestehen der Informationspflichten nach § 80 Abs. 2 BetrVG wird eine Einstellung im Sinne des § 99 BetrVG und die hierfür konstitutive Eingliederung nicht mehr vorausgesetzt.

 

Normenkette

BetrVG § 80 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Beschluss vom 15.07.2005; Aktenzeichen 18 BV 239/04)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Arbeitsgericht Stuttgart vom 15.07.2005 – 18 BV 239/04 – abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:

Die Beteiligte zu 2 wird verpflichtet, den Beteiligten zu 1 hinsichtlich des Einsatzes von Kurierfahrern von Service-Partnern unter Vorlage der Tourenberichte über die Art und Dauer der Tätigkeit und die Namen der Kurierfahrer, wenn diese in den Tourenberichten eingetragen sind, für die Standorte S., F., N., B. und L. zu unterrichten.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Arbeitgeberin, den Betriebsrat über die Einsatzart, Einsatzdauer und die Namen der Mitarbeiter von Service-Partnern zu unterrichten.

Die Arbeitgeberin ist ein weltweit tätiges Logistikunternehmen. Sie führt unter anderem die Abholung und Auslieferung von Post- und Expresssendungen durch.

Der in der Niederlassung in S. eingerichtete Betriebsrat war im Zeitpunkt der Einleitung des vorliegenden Beschlussverfahrens ursprünglich für die weiteren Niederlassungen in F., N., K. und F. zuständig. Zu diesem Zeitpunkt bediente sich die Arbeitgeberin bei der Auslieferung von Postsendungen zum Teil eigener Arbeitnehmer und zum Teil diverser Subunternehmer. Diese wurden auf der Grundlage eines Service-Partner-Vertrages tätig. Den Service-Partnern waren bestimmte Zustellungsbezirke oder Touren, die sich etwa nach Postleitzahlbereichen bestimmten, zugewiesen. Bei Urlaub, Krankheit oder sonstigen Verhinderungsfällen eigener Mitarbeiter übertrug die Arbeitgeberin die Zustellungen auf die Service-Partner. Dabei gestaltete sich die Organisation der Auslieferung so, dass die Service-Partner täglich eine Einsatzplanung für die von ihnen eingesetzten Fahrer bei der Disposition der Arbeitgeberin einreichten. Der Service-Partner organisierte die grundsätzliche Disposition selbst, bestimmte in seinem Gebiet die jeweiligen Fahrrouten und gab eine entsprechende Tourenplanung an die Disposition der Arbeitgeberin weiter. Nach Beendigung der Auslieferungsfahrten wurden von den Service-Partnern täglich Tourenberichte verfasst, aus denen sich ergab, wie lange die jeweiligen Mitarbeiter der Service-Partner im Einsatz waren, welche Touren sie gefahren und wie viele Zustellungen bzw. Abholungen sie durchgeführt hatten. Die Informationen aus den Tourenberichten wurden jedenfalls bis 24.02.2005 in anonymisierter Form in eine unternehmensinterne Datenbank eingelesen. Zu dieser so genannten TLR-Datenbank hatte auch der Betriebsrat Zugang. Diese Datenbank findet seit Frühjahr 2005 bei der Arbeitgeberin keine Verwendung mehr. Damit war auch ein Zugriff des Betriebsrates nicht mehr möglich.

Zudem erhielt der Betriebsrat ursprünglich zum damaligen Zeitpunkt von der Arbeitgeberin wöchentlich so genannte Wocheneinsatzpläne, aus denen sich ergab, welcher Kurierfahrer der Arbeitgeberin an welchem Tag zu welchen Zeiten für welche Tour bzw. Route eingesetzt waren. In diese Wocheneinsatzpläne wurden in der Vergangenheit auch die Namen der Service-Partner und Fremdfahrer sowie deren Einsatztage und -zeiten und die ihnen zugeteilten Touren bzw. Routen aufgenommen. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht erhielt der Betriebsrat nur noch Wochenpläne, aus denen sich die Einteilung der eigenen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin für ihre Touren ergab.

Die Service-Partner benutzen Fahrzeuge im gleichen äußerlichen Erscheinungsbild wie diejenigen der Arbeitgeberin. Die Mitarbeiter der Service-Partner arbeiten mit der gleichen Dienstkleidung wie Beschäftigte der Arbeitgeberin. Sie benutzen Scanner, die im Eigentum der Arbeitgeberin stehen, in deren Funknetz eingebunden sind und den Service-Partnern zur Erbringung ihrer vertraglich geschuldeten Leistung zur Verfügung gestellt werden.

Der Betriebrat hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass ihm aus § 80 Absatz 2 BetrVG ein umfassendes Informationsrecht bezüglich der Einsatzart, der Einsatzdauer und der Namen der Service-Partner-Mitarbeiter unter Vorlage der Tourenberichte zustehe. Dies sei notwendig, damit es ihm möglich sei zu überprüfen, ob mitbestimmungspflichtige Einstellungen oder Arbeitnehmerüberlassungen vorlägen und damit Mitbestimmungsrechte nach § 99 BetrVG bestünden. Im Übrigen hat der Betriebsrat auf die im Parallelverfahren ergangenen Beschlüsse des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.09.2004 und des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24.02.2005 Bezug genommen und sich die dort vorgebrachten Argu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge