Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstellung. Versetzung. Beteiligungsrecht. Betriebsrat. Vergütungsordnung. Ausgruppierung. AT-Angestellter

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betriebsrat ist bei der Einstellung eines Arbeitnehmers nach § 99 I BetrVG nur zu beteiligen, wenn im Betrieb eine Vergütungsordnung besteht, die kraft Tarifbindung, Betriebsvereinbarung, Arbeitsvertrag, betrieblicher Übung oder sonstiger Einführung durch den Arbeitgeber auf das Arbeitsverhältnis des betroffenen Arbeitnehmers Anwendung findet.

2. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Anerkennungstarifvertrag nur für Gewerkschaftsmitglieder abgeschlossen wird, im Übrigen es aber den einzustellenden Arbeitnehmern freigestellt wird, ob sie einzelvertraglich sich dem Anerkennungstarifvertrag unterwerfen wollen oder nicht und 20 bis 30 Prozent der Mitarbeiter des Betriebs dieser Art einen sogenannten AT-Vertrag geschlossen haben, ohne dass ein Fall der Überschreitung der höchsten Tarifgruppe oder ein Herausfallen aus Tarifmerkmalen vorliegen würde.

3. Ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht auch dann nicht, wenn ohne Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs ein bisher tarifunterworfener Arbeitsvertrag lediglich in einen solchen AT-Vertrag umgeschrieben wird.

4. Dagegen ist der Betriebsrat zu beteiligen, wenn ein Arbeitnehmer, der bislang tariflich eingruppiert war, nach einer Versetzung Tätigkeiten verrichten soll, die außerhalb der Anforderungen des einschlägigen Tarifvertrags liegen und künftig als AT-Angestellter geführt werden soll.

 

Normenkette

BetrVG § 99

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 07.04.2009; Aktenzeichen 11 BV 19/08)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 04.05.2011; Aktenzeichen 7 ABR 10/10)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg vom 07.04.2009 – Az. 11 BV 19/08 – abgeändert:

Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, ein innerbetriebliches Beteiligungsverfahren gemäß § 99 BetrVG bezüglich der Herausgruppierung des Arbeitnehmers L. aus der Lohn- und Gehaltsordnung des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages I (LGRTV I) der Metallindustrie Südbaden vom 01.12.1988 einzuleiten und durchzuführen und im Falle der fristgerechten und beachtlichen Zustimmungsverweigerung das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 IV BetrVG bezogen auf diese Herausgruppierung einzuleiten und durchzuführen.

2. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über die Anwendbarkeit des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG anlässlich der Einstellung einer Mitarbeiterin, der Versetzung eines Mitarbeiters und der Vertragsänderung eines weiteren, wobei der Arbeitgeber die Arbeitsverhältnisse aller drei Betroffenen originär oder künftig außertariflich gestalten will.

Antragsteller und Beteiligter Ziffer 1 (künftig Betriebsrat) ist der im Betrieb der Antragsgegnerin und Beteiligten Ziffer 2 (künftig Arbeitgeberin) gebildete 11-köpfige Betriebsrat. Im Betrieb der Arbeitgeberin finden seit dem Anerkennungstarifvertrag zwischen der Firma L. GmbH und der Industriegewerkschaft Metall vom 03.04.1998 (Bl. 70 ff. d. Akte) nach dessen § 1 und 2 für alle Beschäftigten, Arbeiter, Angestellte und Auszubildende, die Mitglied der IG Metall sind, die Tarifverträge in der Metallindustrie des Tarifgebietes Südbaden Anwendung. Die Gehaltsentwicklung wurde für die Beschäftigten, die Mitglieder der IG Metall sind, durch Tarifverträge zwischen der Beklagten und der IG Metall geregelt zuletzt durch Tarifvertrag vom 08.12.2008, nach dem für die oberste Gehaltsgruppe der kaufmännischen Angestellten (K 7) EUR 4.465,57 und die oberste Gehaltsgruppe der technischen Angestellten (T 7) EUR 4.890,26 gezahlt wurden. Die Arbeitgeberin schließt mit einem Teil ihrer Mitarbeiter unabhängig von ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft Arbeitsverträge unter Inbezugnahme der maßgeblichen Tarifverträge. Seit jeher beschäftigt die Beklagte aber auch sogenannte AT-Angestellte, auf deren Arbeitsverhältnisse die Tarifverträge keine Anwendung finden, auch wenn und obwohl ein Überschreiten der höchsten tariflichen Gehaltsgruppe nicht vorliegt. Damit deren übliche Gehaltsanpassungen, soweit nicht leitende Angestellte betroffen waren, nach nachvollziehbaren Kriterien erfolgten, wurde bereits im Jahr 2001 diesbezüglich eine Betriebsvereinbarung zwischen der Firma L. GmbH und ihrem Betriebsrat geschlossen (Bl. 149, 150 d. Akte). Derzeit haben von 739 Mitarbeitern 194 einen sogenannten außertariflichen Arbeitsvertrag.

Der Mitarbeiter Dr. K. ist seit 01.12.2007 bei der Arbeitgeberin als Entwicklungsingenieur beschäftigt. Die Einstellung erfolgte nach Mitteilung vom 07.11.2007 (Bl. 98 d. Akte) in die Tarifgruppe T 6/1. Unter dem 29.05.2008 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, dass Herr Dr. K. zum 01.07.2008 in ein außertarifliches Arbeitsverhältnis genommen werde. Es wurde darauf hingewiesen, dass eine tarifnahe Vergütung vereinbart sei und die tariflichen ...

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