
Zusammenfassung
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit dem Kündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes. Über den Maßstab der Sittenwidrigkeit und Treu und Glauben wird auch in Kleinbetrieben und innerhalb der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG ein gewisser Mindestkündigungsschutz gewährleistet. Im Weiteren wird dargelegt, wie Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen können. Für die Praxis wichtig sind Unkündbarkeitsregelungen in Tarifverträgen. Nachfolgend werden kurz die Personengruppen dargestellt, für die besondere Kündigungsschutzregelungen bestehen. Schließlich wird auf den Kündigungsschutz beim Betriebsübergang und den Verfahrensschutz durch die zwingende Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch einer Kündigung hingewiesen.
Der Mindestkündigungsschutz außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes wird in § 138 BGB (Sittenwidrigkeit) und § 242 BGB (Treu und Glauben) verankert. Das Maßregelungsverbot ist in § 612 a BGB normiert. Aus Art. 3 GG sowie dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz folgen die Grundlagen für den Diskriminierungsschutz bei Kündigungen. Die Meinungsfreiheit des Arbeitnehmers ist in Verbindung mit Art. 5 GG eine Wirksamkeitsgrenze für Kündigungen. Die wichtigsten besonderen Kündigungsschutzbestimmungen für bestimmte Personengruppen finden sich insbesondere in § 168 SGB IX, § 17 MuSchG, § 18 BEEG, § 5 PflegeZG, § 2 Abs. 3 FPfZG, § 15 KSchG, § 103 BetrVG und § 613 a Abs. 4 BGB. Das Verfahren zur Anhörung des Betriebsrats vor Ausspruch einer Kündigung ist in § 102 BetrVG geregelt.
1 Unwirksamkeit der Kündigung
Neben einer mangelnden sozialen Rechtfertigung von Kündigungen nach § 1 Abs. 2 KSchG bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes ist eine Kündigung unwirksam:
- bei Sittenwidrigkeit der Kündigung gemäß § 138 Abs. 1 BGB,
- bei Verstoß der Kündigung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB,
- bei Verstoß gegen das Maßregelungsverbot nach § 612a BGB,
- bei Verstoß gegen das Grundrecht der Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG,
- bei Verstoß gegen die Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 und 2 GG,
- bei Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz[1],
- bei Diskriminierung aus Gründen der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität[2],
- bei Beschränkungen des ordentlichen Kündigungsrechts durch einzelvertragliche Vereinbarungen,
bei Verstoß der Kündigung gegen besondere gesetzliche Kündigungsschutzbestimmungen für besondere Personengruppen, z. B.
- Schwerbehinderte Menschen gemäß § 168 SGB IX,
- Kündigungsschutz wegen Schwangerschaft und Geburt gemäß § 17 MuSchG,
- Kündigungsschutz während der Elternzeit gemäß § 18 BEEG,
- Kündigungsschutz während der Pflegezeit gemäß § 5 PflegeZG,
- Kündigungsschutz während der Familienpflegezeit gemäß § 2 Abs. 3 FPfZG i. V. m. § 5 PflegeZG,
- Kündigungsschutz von betriebsverfassungsrechtlichen Amtsträgern gemäß § 15 Abs. 1-3a KSchG i. V. m. § 103 BetrVG,
- Kündigungsschutz von Wehrpflichtigen gemäß § 2 ArbPlSchG, wenn auch derzeit nicht aktuell,
- für Wehrübungspflichtige nach dem Eignungsübungsgesetz (§ 2 EÜG),
- für Abgeordnete nach Art. 48 Abs. 2 GG,
- für Bergmannsversorgungsscheininhaber nach dem Gesetz über einen Bergmannsversorgungsschein in Nordrhein-Westfalen und im Saarland sowie dem Gesetz über ein Bergmannsversorgungsschein in Niedersachsen,
- bei gesetzlichen Beschränkungen des ordentlichen Kündigungsrechts für besondere Funktionsträger (Datenschutzbeauftragter, § 6 Abs. 4 BDSG; Immissionsschutzbeauftragter, § 58 Abs. 2 BImSchG; Abfallbeauftragter, § 55 Abs. 3 KrW-/AbfG,
- für Kündigungen aus Anlass eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 4 BGB[3],
- bei Kündigungen ohne ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG.
S. dazu auch Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und Mobbing.
2 Der verfassungsrechtliche Mindestkündigungsschutz
Greift der allgemeine Kündigungsschutz nach dem KSchG nicht, z. B. in Kleinbetrieben gemäß § 23 KSchG oder vor Erfüllung der Wartefrist gemäß § 1 Abs. 1 KSchG, oder ein besonderer Kündigungsschutz (z. B. Schwangere, Schwerbehinderte, Betriebsräte), bedarf die arbeitgeberseitige Kündigung grundsätzlich keines Grundes oder Rechtfertigung. Egal ob betriebs-, personen- und verhaltensbedingte Gründe oder vielleicht auch nur die Auffassung, dass die "Chemie nicht stimme", den Entschluss des Arbeitgebers zum Ausspruch einer (Änderungs-)Kündigung geführt haben, müssen die Anforderungen nach dem KSchG nicht beachtet werden. Das heißt, der Arbeitgeber besitzt grundsätzlich die Freiheit zu kündigen.
Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer, wenn er eine solche Kündigung angreifen will, letztendlich die Beweislast für deren Unwirksamkeit trägt. Deshalb kann in der Praxis hier eine Kündigung eher selten erfolgreich angegriffen werden.
Aus den Bestimmungen des Grundgesetzes hat das ...
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