BGB §§ 320, 322, 543 Abs. 2 Nr. 3
- Wird der Mieter nach einer Kündigung des Vermieters wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a oder b BGB) rechtskräftig zur Zahlung eines auch für die Kündigung relevanten Mietrückstands verurteilt, sind damit die Voraussetzungen eines Zahlungsverzugs im Zeitpunkt der Kündigung nicht bindend festgestellt.
Trägt der Vermieter in einem auf Zahlung rückständiger Miete gerichteten Prozess vor, der vom Mieter angezeigte – zwischen den Parteien streitige – Mangel sei von ihm während des Verfahrens beseitigt worden, ist diese Behauptung jedenfalls für sich genommen nicht geeignet, den Zweck des vom Mieter – hinsichtlich Höhe und Dauer – in angemessener Weise ausgeübten Leistungsverweigerungsrechts (§ 320 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB) als verfehlt anzusehen (im Anschluss an BGH, Urteil v. 17.6.2015, VIII ZR 19/14, BGHZ 206 S. 1 Rn. 48 ff.).
Vielmehr ist in einem solchen Fall über die (streitige) Frage eines ungeachtet der ergriffenen Beseitigungsmaßnahmen fortbestehenden Mangels Beweis zu erheben, weil das Zurückbehaltungsrecht mit der Mangelbehebung entfällt und einbehaltene Mieten sofort zur Zahlung fällig sind.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Das Problem
Der Mieter zeigte dem Vermieter im Herbst 2013 an, dass in der Küche und im Schlafzimmer der Wohnung Schimmel aufgetreten sei. Der Vermieter blieb zunächst untätig. Der Mieter minderte die Miete ab April 2015 um 20 %; hinsichtlich weiterer 60 % machte er ein Zurückbehaltungsrecht am Mietzins geltend. Mit Schreiben vom 20.5.2015 kündigte der Vermieter fristlos, hilfsweise ordentlich wegen Zahlungsverzugs. Er nimmt den Mieter auf Räumung und Herausgabe sowie auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch.
Das Amtsgericht (AG) verurteilte den Mieter zur Zahlung von 2.300 EUR; die Räumungsklage wies das AG ab. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Der Vermieter wendet sich gegen die Abweisung der Räumungsklage; der Mieter gegen die Verurteilung zur Zahlung.
Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat der Vermieter durch Schriftsatz vom 16.3.2017 mitgeteilt, dass er den Schimmel zwischenzeitlich beseitigt habe; dies hat der Mieter bestritten. Gleichwohl hat er die von ihm eingelegte Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung zurückgenommen. Aus dieser Konstellation ergeben sich zwei Rechtsfragen.
Die Entscheidung
Leitsatz 1: Rechtsfolgen der Rücknahme der gegen das Zahlungsurteil gerichteten Berufung
Durch die Rücknahme der Berufung wurde das Zahlungsurteil des AG rechtskräftig. Damit steht fest, dass der Mieter an den Vermieter einen Betrag von 2.300 EUR zu zahlen hat. Fraglich ist, ob damit auch rechtskräftig festgestellt ist, dass zum Zeitpunkt des Ausspruchs der fristlosen Kündigung der nach § 543 Abs. 2 Nr. 3 BGB erforderliche Rückstand vorlag. Dies wird vom BGH verneint: Die Rechtskraft beschränkt sich nach ständiger Rechtsprechung des BGH auf den unmittelbaren Streitgegenstand, vorliegend also auf die Frage, ob dem Vermieter gegenüber dem Mieter ein Zahlungsanspruch in Höhe von 2.300 EUR zusteht. Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung gegeben sind, ist damit nicht rechtskräfig geklärt. Die Entscheidung hierüber ist von dem für die Räumungsklage zuständigen Gericht zu treffen.
Leitsatz 2: Erlöschen des Zurückbehaltungsrechts
Nach dem Grundsatzurteil des BGH vom 17.6.2015 (VIII ZR 19/14, BGHZ 206 S. 1) hat der "Tatrichter im Rahmen seines Beurteilungsermessens aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden", ob dem Mieter im Falle eines Mangels neben der Minderung ein Zurückbehaltungsrecht an der Miete zusteht. In dieser Entscheidung ist u. a. ausgeführt, dass das Zurückbehaltungsrecht entfällt, wenn "nicht mehr zu erwarten (ist), dass der Vermieter seiner Verpflichtung auf Beseitigung des Mangels unter dem Druck der Leistungsverweigerung nachkommen wird". Das Berufungsgericht hat die Ansicht vertreten, aus der Erklärung des Vermieters, dass er den Mangel beseitigt habe, ergebe sich der Schluss, dass er weitere Maßnahmen nicht vornehmen werde.
Der BGH teilt diese Ansicht nicht: Der Vermieter habe in dem Schriftsatz vom 16.3.2017 lediglich behauptet, er habe den Mangel schon beseitigt. Eine solche Behauptung sei jedenfalls für sich genommen nicht geeignet, den Zweck des ausgeübten Zurückbehaltungsrechts als verfehlt anzusehen. Ein Vermieter, der sich im Prozess auf eine Mangelbeseitigung beruft, bringe regelmäßig nicht zum Ausdruck, dass er eine Mangelbehebung auch für den Fall ablehnt, dass sich seine Behauptung im Rahmen der Beweisaufnahme nicht bestätigt.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Beweiserhebung an das Landgericht zurückverwiesen.
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