7.4.1 Vertragswidriges Verhalten des Mieters

Eine Anbietpflicht besteht nicht, wenn besondere Umstände die Neubegründung eines Mietverhältnisses mit dem gekündigten Mieter als unzumutbar erscheinen lassen, z. B. bei vertragswidrigem Verhalten des Mieters.[1] Nach Auffassung des LG Mannheim muss es sich insofern jedoch um Vertragsverletzungen handeln, die den Tatbestand der außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung erfüllen, da "Spannungen" unterhalb der Kündigungsschwelle die Anbietpflicht nicht berühren.[2]

Die Anbietpflicht entfällt also, wenn

  • der Mieter das Vertrauensverhältnis durch sein Verhalten erschüttert hat[3] oder
  • Mieter und Vermieter verfeindet sind und die Alternativwohnung im persönlichen Lebens- und Wohnbereich des Vermieters gelegen ist.[4]
[1] OLG Karlsruhe, a. a. O.

7.4.2 Verwendungsabsicht

Nach Ansicht des BVerfG besteht eine Anbietpflicht auch dann nicht, wenn der Vermieter die leer stehende Wohnung dem allgemeinen Wohnungsmarkt nicht mehr zur Verfügung stellen wollte, da eine solche Anbietpflicht allenfalls für Wohnungen erwogen werden kann, die leer stehen und die der Vermieter ohnehin zu vermieten beabsichtigt.[1] Dabei entscheidet allein der Vermieter, welche Wohnungen aus seinem Bestand er für eine Vermietung vorsieht. In diese Disposition dürfen die Fachgerichte nicht eingreifen, indem sie eine Anbietpflicht auch für solche Wohnungen entwickeln, die der Vermieter gerade nicht anderweitig vermieten, sondern selbst, z. B. als Übergangswohnung während der Bauzeit nutzen möchte. Vielmehr müssen sie den Entschluss des Eigentümers, weitere Immobilien nicht dem Wohnungsmarkt zur Verfügung zu stellen, akzeptieren und dürfen ihm nicht eine bestimmte Nutzung seiner Eigentumsgegenstände vorschreiben.[2]

 
Wichtig

Kein Verzicht auf bessere wirtschaftliche Verwertung

  • Ferner besteht keine Anbietpflicht, wenn die Alternativräume bisher nicht zu Wohnzwecken (hier: Arztpraxis) vermietet waren oder Wohnräume bisher möbliert vermietet wurden und der Mieter kein Interesse an der möblierten Anmietung dargelegt hat. Bei Abwägung der grundrechtlich geschützten Parteieninteressen ist dem Vermieter regelmäßig nicht zuzumuten, auf die bessere wirtschaftliche Verwertung durch die möblierte Vermietung zu verzichten.[3]
  • Gleiches gilt, wenn die im Haus frei werdenden Räumlichkeiten nicht als Wohnung, sondern zu gewerblichen Zwecken genutzt worden sind. Auch in diesem Fall verletzt der wegen Eigenbedarfs kündigende Vermieter nicht die ihm obliegende Anbietpflicht von Alternativräumen, wenn er diese dem Mieter nicht anbietet.[4]

Die Anbietpflicht des Vermieters entfällt auch, wenn die frei werdende Wohnung bereits seit längerer Zeit einem Dritten versprochen ist.[5]

7.4.3 Vorbringen gegen die Anbietpflicht

Hat der Vermieter dem Mieter geeigneten Ersatzwohnraum angeboten, kann der Mieter gegenüber dem Eigenbedarf des Vermieters auch nicht den Härtegrund fehlenden Wohnraums geltend machen.[1]

Die Entscheidung des Gerichts über die Streitfrage, ob der Vermieter verpflichtet ist, dem Mieter im Fall der Eigenbedarfskündigung eine vergleichbare freie Wohnung zum Bezug anzubieten, unterliegt nicht der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht.[2] Jedoch kann das Gericht eine solche Pflicht nicht allein mit der Begründung verneinen, die zur Verfügung stehende Wohnung sei für den gekündigten Mieter zu klein. Diese Auffassung verletzt das Recht des Mieters auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, wozu auch gehört, dass der Mieter seinen Wohnbedarf nach seinen eigenen Vorstellungen bestimmen, also auch einschränken darf.

Allerdings sind die Gerichte nicht gehindert zu prüfen, ob eine dem Vermieter nicht mehr zumutbare Überbelegung vorliegt oder der Bezug der Wohnung gegen bau- oder polizeirechtliche Vorschriften verstoßen würde. Liegen solche Umstände vor, kann in der Ablehnung der Anbietpflicht kein Verstoß gegen Mietergrundrechte gesehen werden.[3]

Bei einem Verstoß gegen diese Anbietpflicht hat der BGH in seiner früheren Rechtsprechung die Kündigung wegen unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) als unwirksam angesehen. Diese Rechtsprechung hat der BGH jetzt aufgegeben und entschieden, dass ein Verstoß gegen die Anbietpflicht die Kündigung nicht unwirksam macht, sondern lediglich Schadensersatzansprüche des Mieters nach sich ziehen kann (z. B. auf Ersatz von Umzugs- und Maklerkosten). Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen trägt allerdings der Mieter.[4]

 
Wichtig

Keine Angaben über Wohnungsbestand im Kündigungsschreiben

Im Kündigungsschreiben muss der Vermieter grundsätzlich keine Ausführunge...

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