Leitsatz

  1. Der generalklauselartige Kündigungstatbestand in § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ist gleichgewichtig mit den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Kündigungsgründen (im Anschluss an BVerfG, Beschluss v. 8.10.1991, 1 BvR 1324/90, NJW 1992 S. 105, 106 zu § 564a BGB a.F.; BGH, Urteile v. 23.5.2007, VIII ZR 122/06, NJW-RR 2007 S. 1460, Rn. 13 und VIII ZR 113/06, WuM 2007 S. 459, Rn. 13).
  2. § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB verwehrt dem Vermieter nicht, auch Umstände aus dem Interessenbereich dritter Personen insoweit zu berücksichtigen, als sich aus ihnen aufgrund eines familiären, wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhangs auch ein eigenes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses ergibt.
  3. Auch bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts kann ein dem Kündigungsgrund des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB "artverwandtes" Interesse vorhanden sein.

(amtliche Leitsätze des BGH)

 

Normenkette

BGB § 573 Abs. 1

 

Kommentar

Zwischen der Evangelischen Kirchengemeinde Düsseldorf – eine öffentlich-rechtliche Körperschaft – und dem Mieter bestand seit dem Jahr 1999 ein Mietverhältnis über eine in einem Mehrfamilienhaus gelegene 2-Zimmer-Wohnung. Die Vermieterin hat den Mietvertrag im Jahr 1999 mit der Begründung gekündigt, sie wolle die Räume der Diakonie Düsseldorf e.V. überlassen. Der Verein wolle in den Räumen eine Beratungsstelle für Erziehungs-, Ehe- und Lebensfragen einrichten.

Der BGH hatte zu entscheiden, ob dieses Interesse eine Beendigung des Mietverhältnisses rechtfertigt.

1. Gewichtiges öffentliches Interesse als Kündigungsgrund (zu Leitsatz a)

Die ordentliche Kündigung eines Mietverhältnisses über eine Wohnung setzt voraus, dass der Vermieter "ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat" (§ 573 Abs. 1 BGB). Ein solches Interesse liegt "insbesondere vor, wenn ... der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt" (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Dieser spezielle Kündigungstatbestand scheidet hier allerdings aus, weil lediglich natürliche Personen einen Wohnbedarf haben (BGH, Urteil v. 23.5.2007, VIII ZR 122/06, WuM 2007 S. 457).

Jedoch folgt aus dem Wortlaut des § 573 Abs. 2 BGB ("insbesondere"), dass die möglichen Kündigungsgründe in Absatz 2 nicht abschließend aufgezählt werden. Vielmehr stellt das Gesetz mit § 573 Abs. 1 BGB einen generalklauselartigen Kündigungstatbestand zur Verfügung, der den in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft genannten Kündigungsgründen nach allgemeiner Meinung gleichgewichtig ist (so BVerfG, Beschluss v. 8.10.1991, 1 BvR 1324/90, NJW 1992 S. 105 unter Ziff. II 3b zu § 564b BGB a.F. mit weiteren Nachw.; BGH, a.a.O.). Die Regelung in Absatz 1 ist mithin als Auffangtatbestand für weitere Beendigungsinteressen zu verstehen.

Nach dem Rechtsentscheid des BayObLG vom 21.11.1980 (Allg Reg 83/80, NJW 1981 S. 580) liegt ein Kündigungsgrund i.S.v. § 573 Abs. 1 BGB u.a. dann vor, wenn eine Gemeinde den Wohnraum zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben benötigt (betr. Bereitstellung von Räumen für den theoretischen Unterricht der Feuerwehr sowie für kulturelle und soziale Zwecke).

In Abgrenzung hierzu hat das OLG Frankfurt/M. in dem Rechtsentscheid vom 6.3.1981 (20 REMiet 1/80, NJW 1981 S. 1277) ausgeführt, dass nicht jedes öffentliche Interesse genügt. Vielmehr muss dieses ein so erhebliches Gewicht haben, dass es gegenüber dem allgemeinen Interesse des Mieters am Fortbestand des Mietverhältnisses überwiegt: Unter Anwendung dieses Grundsatzes hat das Gericht entschieden, dass das allgemeine öffentliche Interesse an der Durchführung eines Bauvorhabens, das die Errichtung eines Mehrzweckgebäudes mit Parkplätzen, Geschäftsräumen und Wohnungen zum Gegenstand hat, kein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung eines Mietverhältnisses begründet.

Teilweise wird vertreten, dass im Rahmen des § 573 Abs. 1 BGB nur solche öffentlich-rechtlichen Aufgaben zu berücksichtigen sind, zu deren Erfüllung die öffentlich-rechtliche Körperschaft verpflichtet ist (LG Kiel, Urteil v. 7.10.1991, 1 S 240/90, WuM 1992 S. 129: Keine Kündigung zur Unterbringung von Aussiedlern/Übersiedlern bzw. Asylanten in Wohnungen des Bundes).

Der BGH teilt diese Ansicht nicht. Nach seiner Meinung genügt es, "wenn eine öffentlich-rechtliche Körperschaft ... die von ihr vermietete Wohnung zur Umsetzung von Aufgaben benötigt, an deren Erfüllung ein gewichtiges öffentliches Interesse besteht".

2. Interessen dritter Personen bei Eigenbedarfskündigung (zu Leitsatz b)

Hier besteht die Besonderheit, dass der Vermieter die Räume nicht für sich nutzen, sondern diese einem Dritten, nämlich der Diakonie Düsseldorf e.V., überlassen will. Bei der Eigenbedarfskündigung i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist anerkannt, dass der Bedarf eines Familien- oder Haushaltsangehörigen genügt, wenn der Vermieter auch ein eigenes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat.

Nichts anderes gilt für die Kündigung nach § 573 Abs. 1 BGB, wenn "aufgrund eines familiären, wirtschaf...

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