Leitsatz

Die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist grundsätzlich auch wegen des Eigenbedarfs eines Gesellschafters zulässig, sofern dieser bereits bei Abschluss des Mietvertrags Gesellschafter war.

 

Normenkette

BGB § 573

 

Kommentar

Die Bewohner eines Mietshauses gründeten in den 1980er Jahren eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), um das von ihnen bewohnte Anwesen vom Eigentümer zu erwerben und sich auf diese Weise die bislang genutzten Wohnungen zu erhalten. Die bisherigen Mieter wurden auf diese Weise Eigentümer des Gebäudes. Die zum Zwecke des Erwerbs des Anwesens gegründete GbR blieb weiterhin bestehen. Die GbR hat das Anwesen in der Folgezeit verwaltet. Die von den Gesellschaftern nicht selbst genutzten Wohnungen wurden durch die GbR vermietet. Unter anderem schloss die GbR im Jahr 1986 einen Mietvertrag über die Erdgeschosswohnung.

Dieses Mietverhältnis wurde im Mai 2004 durch die GbR gekündigt. Zur Begründung dieser Kündigung ist in dem Kündigungsschreiben ausgeführt, dass der in der Dachwohnung lebende Gesellschafter schwer erkrankt sei; aus diesem Grund müsse er in die Erdgeschosswohnung umziehen. Es war zu entscheiden, ob das mit einer GbR bestehende Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs für einen Gesellschafter gekündigt werden kann.

Dies wird vom BGH bejaht. Als Kündigungsgrund kommt § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB in Betracht. Danach kann ein Vermieter kündigen, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Sind mehrere Personen Vermieter, so reicht es nach allgemeiner Ansicht aus, wenn einer der Vermieter Eigenbedarf hat. Ist der Vermieter eine juristische Person, so ist eine Eigenbedarfskündigung dagegen ausgeschlossen, weil eine juristische Person keinen Wohnbedarf haben kann. Auch dies entspricht allgemeiner Ansicht. Aus demselben Grund kann auch eine Personengesellschaft keinen Eigenbedarf haben (BGH, Urteil v. 23.5.2007, VIII ZR 122/06 für Kommanditgesellschaft).

Hiervon ist die Frage zu unterscheiden, ob eine Personengesellschaft wegen Eigenbedarfs für einen Gesellschafter kündigen kann. Hierzu werden folgende Ansichten vertreten:

  1. Eine Eigenbedarfskündigung ist ausgeschlossen, weil der Kündigungstatbestand voraussetzt, dass die Wohnung vom "Vermieter" benötigt wird. "Vermieter" in diesem Sinne ist derjenige, dem die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag zustehen. Ist eine Wohnung durch eine GbR vermietet, so stehen die Rechte und Pflichten nicht den Gesellschaftern, sondern der rechtlich selbstständigen Gesellschaft zu (Blank in: Schmidt-Futterer § 573 BGB Rdn. 46).
  2. Eine Eigenbedarfskündigung ist nur dann möglich, wenn alle Gesellschafter Eigenbedarf haben. In diesem Fall sei es möglich, die Gesellschafter wie eine Vermietermehrheit zu behandeln (Harke, ZMR 2002, 405, 407).
  3. Eine GbR ist wie eine Vermietermehrheit zu behandeln, wenn der Gesellschafterbestand überschaubar und dem Mieter namentlich bekannt ist (Häublein in: MüKomm § 573 BGB Rdn. 67).
  4. Eine GbR ist generell wie eine Vermietermehrheit zu behandeln. Auf die Zahl der Gesellschafter kommt es nicht an. Es spielt auch keine Rolle, ob der Mieter die Gesellschafter kennt (Palandt/Weidenkaff § 573 BGB Rdn. 26).

Der BGH folgt der letztgenannten Ansicht. Zur Begründung führt der BGH im Wesentlichen aus, es sei nicht gerechtfertigt, "Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft (in Bezug auf das Kündigungsrecht) schlechter zu stellen als Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit". Daraus folgt, dass die Vermietung durch eine GbR ebenso zu behandeln ist wie eine Vermietung durch mehrere natürliche Personen. Dies führt zu der Frage, welche Rechtsfolge gilt, wenn nach Abschluss des Mietvertrags ein Gesellschafterwechsel erfolgt. Ein solcher Vorgang hat nämlich keinen Einfluss auf den Fortbestand des mit der Gesellschaft abgeschlossenen Mietvertrags. Dies hätte zur Folge, dass sich die GbR - im Unterschied zur einfachen Vermietermehrheit - auf den Eigenbedarf neu eintretender Gesellschafter berufen könnte.

Nach der Auffassung des BGH widerspricht dies dem Schutzzweck des § 573 BGB. Deshalb ist zu unterscheiden: Die Gesellschaft kann wegen des Eigenbedarfs für einen Gesellschafter kündigen, wenn der Begünstigte bereits beim Abschluss des Mietvertrags Gesellschafter war. Dagegen besteht keine Kündigungsbefugnis, wenn der Beitritt zur Gesellschaft erst nach Vertragsschluss stattgefunden hat.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil v. 27.6.2007, VIII ZR 271/06

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge