Leitsatz

Das OLG Celle hat sich in dieser Entscheidung damit auseinandergesetzt, ob dem in Kindschaftssachen tätig gewordenen Jugendamt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ganz oder teilweise auferlegt werden können.

 

Sachverhalt

Die Antragsgegner waren die Eltern der drei betroffenen sowie eines weiteren, im Laufe des Verfahrens geborenen Kindes. Nachdem hinsichtlich der drei betroffenen Kinder erhebliche Unregelmäßigkeiten bei der gesundheitlichen Versorgung festgestellt worden waren, beantragte das Jugendamt bei dem FamG, den Kindeseltern die Beantragung einer ambulanten Unterstützung durch eine sozialpädagogische Familienhilfe aufzugeben. Nach Einschätzung des Jugendamtes waren die Kindeseltern überfordert.

Das FamG hat umgehend Anhörungstermin anberaumt und nach Anhörung der Eltern für die Kinder einen Verfahrensbeistand bestellt. Den Kindeseltern wurde Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

Im Laufe des Verfahrens beantragte das Jugendamt, die Schweigepflichtentbindung der Eltern für die behandelnden Kinderärzte sowie für die Kita gegenüber der Sachbearbeiterin des Jugendamtes familiengerichtlich zu ersetzen. Während des laufenden Verfahrens stellte sich heraus, dass die Kindeseltern zunehmend eine Zusammenarbeit mit dem Jugendamt ablehnten. Eine von dem Verfahrensbeistand für wünschenswert erachtete Familienhilfe wurde von ihm gleichzeitig angesichts einer massiv ablehnenden Haltung der Eltern für kontraproduktiv gehalten.

Das FamG wies die Anträge des Jugendamtes zurück.

Von der Erhebung von Gerichtskosten wurde abgesehen und eine Kostenentscheidung des Inhalts getroffen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hatten.

Gegen diese Kostenentscheidung wehrten sich die Kindeseltern mit der Beschwerde. Mit ihrem Rechtsmittel begehrten sie eine Kostenauferlegung auf das Jugendamt.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Entscheidung

Das OLG hielt die erstinstanzliche Kostenentscheidung für im Ergebnis richtig. Dem FamG werde gemäß § 81 Abs. 1 S. 1 ein Ermessen eingeräumt, um den unbestimmten Rechtsbegriff der Billigkeit auszufüllen. Das Beschwerdegericht könne daher bei einer Ermessensausübung nur eine eingeschränkte Überprüfung vornehmen.

Das erstinstanzliche Gericht habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Eine Kostenauferlegung nach § 81 Abs. 2 FamFG setze ein vorwerfbares Handeln des Jugendamtes voraus, welches vorliegend nicht erkennbar sei.

Das AG habe zunächst zutreffend des Vorliegen der Voraussetzungen verneint, unter denen nach § 81 Abs. 2 FamFG in Fällen des pflichtwidrigen Verhaltens eines Verfahrensbeteiligten eine Auferlegung von Kosten auf diesen erfolgen solle. Gerade eine derart auf einer vorwerfbaren Handlung beruhende Kostenauferlegung auf das Jugendamt komme grundsätzlich durchaus in Betracht.

Im vorliegenden Fall liege aber weder ein irgendwie geartetes noch gar ein grobes Verschulden des Jugendamtes vor, das Anlass für das Verfahren gegeben hätte. Der Antrag des Jugendamtes sei auch nicht etwa für das Jugendamt erkennbar von vorn herein ohne Aussicht auf Erfolg gewesen. Für eine schuldhafte Verletzung von Mitwirkungspflichten des Jugendamtes sei nicht im Ansatz etwas erkennbar oder dargetan.

Eine Auferlegung der erstinstanzlichen Kosten anderer Beteiligter auf das Jugendamt komme jedoch im Rahmen einer - nach dem Ausscheiden der Voraussetzungen nach § 81 Abs. 2 verbleibenden - Billigkeitsentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG für Kindschaftssachen ohnehin grundsätzlich nicht in Betracht. Das Jugendamt habe im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens über Kindschaftssachen eigenständig und ohne gerichtlichen Weisungen unterworfen zu sein, eigene Positionen wahrzunehmen.

Soweit es im Rahmen seiner diesbezüglichen Aufgabenstellung nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe und ihm keine erhebliche Pflichtverletzung oder ein deutliches verfahrensmäßiges Verschulden vorzuwerfen seien, könne allein der verbleibende Gesichtspunkt des im Ergebnis nicht dem Antrag oder der Positionierung des Jugendamtes entsprechenden Verfahrensausgang die Auferlegung außergerichtlicher Aufwendungen anderer Verfahrensbeteiligter nicht begründen.

Dies beruhe zum einen darauf, dass anderenfalls faktisch die ausdrückliche inhaltliche Weisungsfreiheit des Jugendamtes bei der Ausübung der ihm auch für das gerichtliche Verfahren selbständig übertragenen Aufgabe in Frage gestellt würde. Zum anderen bestehe auch unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten kein durchgreifender Anlass, in den hier in Rede stehenden Fällen andere Beteiligte durch das Jugendamt von ihren außergerichtlichen Kosten freizustellen.

 

Link zur Entscheidung

OLG Celle, Beschluss vom 04.05.2012, 10 UF 69/12

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