Leitsatz

Geht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungseigentümer auf Unterlassung einer Störung vor, bestimmt sich der Streitwert nach der Wertminderung, den das Sondereigentum der Wohnungseigentümer durch das Verhalten erfährt.

 

Normenkette

GKG § 49a

 

Das Problem

  1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K klagt gegen Teileigentümer B, gegen einen Nießbrauchsberechtigten und einen Mieter jeweils auf Unterlassung. Diese sollen den Betrieb eines Teileigentums, das als Restaurant genutzt wird, montags bis samstags nach 20 Uhr und sonn- und feiertags vollständig unterlassen. K bemisst ihr Interesse an dieser Klage mit 30.000 EUR und das Interesse der Beklagten mit 500.000 EUR.
  2. Das Amtsgericht gibt der Klage statt. Den Streitwert setzt es auf 10.000 EUR fest. Bei einer Unterlassungsklage sei das einfache Interesse der Klagepartei maßgebend. Das Landgericht stellt mit Beschluss das Zustandekommen eines Vergleichs fest. Den Streitwert für das Berufungsverfahren und – von Amts wegen – für die erste Instanz setzt es abweichend auf 50.000 EUR fest. Das Interesse der K bestimme sich nach einer etwaigen mit der zweckbestimmungswidrigen Nutzung des Sondereigentums des B verbundenen Wertminderung des übrigen Sondereigentums. Im Hinblick auf eine gastronomische Nutzung des Innenhofs einer benachbarten Wohnungseigentümergemeinschaft werde das Interesse auf 10.000 EUR geschätzt. Das Interesse der Beklagten richte sich nach den zu erwartenden Verlusten bzw. Schadensersatzansprüchen und sei mit den Angaben der Beklagten auf 430.000 EUR zu bemessen. Nach § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG sei der Streitwert auf das 5-fache des Wertes des Interesses der K begrenzt und sei daher auf 50.000 EUR zu bemessen.
  3. Z überzeugt das nicht und legt gegen diese Bestimmung im eigenen Namen Beschwerde ein. Er beantragt, den Streitwert auf 150.000 EUR, hilfsweise auf 203.812 EUR festzusetzen. Mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Der Streitwert für das Berufungsverfahren sei gemäß der § 47, § 48, § 49a GKG auf 150.000 EUR festzusetzen.

  1. Im Rechtsmittelverfahren bestimme sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers, § 47 Satz 1 GKG. Da die Beklagten durch das Amtsgericht antragsgemäß verurteilt worden seien und sich mit der Berufung insgesamt gegen die Verurteilung wendeten, entspreche der Streitwert für das Berufungsverfahren dem Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens.
  2. Nach § 49a Abs. 1 GKG sei der Streitwert auf 50 % des Interesses der Parteien und aller Beigeladenen an der Entscheidung festzusetzen. Er dürfe das Interesse des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen an der Entscheidung nicht unterschreiten und das 5-fache des Wertes ihres Interesses nicht überschreiten, § 49a Abs. 1 Satz 2 GKG.
  3. Das Landgericht habe das Interesse der Beklagten zutreffend mit 430.000 EUR bewertet. Abweichend vom Landgericht sei jedoch das Interesse der K entsprechend ihren Angaben mit 30.000 EUR zu bewerten. 50 % des Interesses der Parteien betrage damit 230.000 EUR. Dieses Interesse sei jedoch auf das 5-fache des Interesses der K, mithin auf 150.000 EUR beschränkt.
  4. Wie das Landgericht zutreffend erkannt habe, richte sich das Interesse der K nach der Wertminderung des übrigen Sondereigentums. Denn der Wert einer Beseitigungsklage werde allgemein durch das Interesse des Klägers an der Beseitigung bestimmt. Bei der Störung von Grundeigentum bemesse sich das Interesse grundsätzlich nach dem Wertverlust, den die Sache durch die Störung erleide (Hinweis auf BGH v. 8.3.2012, V ZB 247/11, Rn. 7; BGH v. 17.5.2006, VIII ZB 31/05, Rn. 8). Das damit maßgebende Interesse könne frei geschätzt werden (Hinweis auf BayObLG v. 2.9.1993, 2Z BR 63/93, Rn. 28 – juris und BGH v. 19.1.2017, V ZR 100/16, Rn. 7). Dabei sei zwischen dem Ermessen bezüglich des Verfahrens der Wertfestsetzung und bezüglich der Festsetzung selbst zu unterscheiden. Das dem Gericht bezüglich des Verfahrens eingeräumte Ermessen sei außerordentlich weit. Der Senat halte eine Abschätzung durch einen Sachverständigen gemäß § 64 GKG nicht für erforderlich. Eine Abschätzung durch Sachverständige sei nur dann geboten, wenn dem Gericht jeder Anhalt zur Ermittlung des ungefähren Wertes fehle oder wenn die Angaben der Parteien offensichtlich zu niedrig seien und sie keine weiteren Angaben gemacht hätten (Hinweis auf OLG Brandenburg v. 16.2.1998, 10 WF 129/97, Rn. 6 – juris). Diese Voraussetzungen lägen nicht vor.
  5. Abweichend vom Landgericht seien der Schätzung im Fall jedoch die Angaben der Parteien zugrunde zu legen. K habe das Interesse der in ihr verbundenen Wohnungseigentümer an einer Unterlassung mit 30.000 EUR beziffert. Dieser Wert sei vonseiten der Beklagten weder erstinstanzlich noch im Beschwerdeverfahren in Zweifel gezogen worden. Zwar sei das Gericht an übereinstimmende Angaben der Parteien zur Höhe des Streitwerts nicht gebunden. Solchen Angaben komme jedoch, wenn sie nicht offensichtlich unzutreffend seien, erhebliches Gewicht zu, insbesondere wenn sie im erstinstanzlichen Verfahren un...

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