Rz. 5

Das Vorkaufsrecht setzt eine bestimmte zeitliche Reihenfolge voraus, nämlich dass

  • ein wirksamer Mietvertrag zustande gekommen und die Wohnung dem Mieter überlassen worden ist,
  • nach Überlassung Wohnungseigentum an der Wohnung begründet worden ist oder werden soll
  • und die Wohnung an einen Dritten verkauft wird.
 

Rz. 6

Der Abschluss eines wirksamen Mietvertrags muss der vollendeten Umwandlung vorausgehen. Diese Umwandlung ist nicht schon mit der Teilungsvereinbarung oder Teilungserklärung nach §§ 3, 8 WEG abgeschlossen, sondern erst mit der Anlage des Wohnungsgrundbuchs. Daher genügt, dass das Mietverhältnis vor der Anlage des Wohnungsgrundbuchs begründet worden ist. Spätestens mit Abschluss des Mietvertrages muss der Wohnraum auch schon überlassen worden sein (AG Frankfurt/Main, NJW 1995, 1034; Commichau, NJW 1995, 1010; a. A. Wirth, NZM 1998, 392). Die vorherige Überlassung reicht aus, wenn noch vor der Umwandlung der Mietvertrag zustandegekommen ist. Unerheblich ist, dass im Zeitpunkt der Umwandlung der Mieter nicht mehr in der Wohnung wohnt (LG Köln, NJW-RR 1995, 1354).

 

Rz. 7

An der verkauften Wohnung muss nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden sein. Unerheblich ist, wer die Umwandlung vornimmt. Daher ist § 577 auch dann anwendbar, wenn der Eigentümer das Haus mit der Wohnung an einen Dritten verkauft, der seinerseits das Objekt in Eigentumswohnungen aufteilt und diese an einen Erwerber weiterverkauft, der im Wege der Sprungauflassung als erster Eigentümer der Wohnung eingetragen wird. Unerheblich ist, ob die Umwandlung durch Einräumung von Sondereigentum nach den §§ 3, 4 WEG durch Einigung der an dem Grundstück beteiligten Miteigentümer und Eintragung in das Grundbuch oder nach § 8 WEG dadurch begründet wird, dass der Eigentümer des Grundstücks durch Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt das Eigentum an dem Grundstück in Miteigentumsanteile aufteilt, was dann mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher wirksam wird (BGH, VIII ZR 143/15, NJW 2017, 156; BGH, Urteil v. 7.12.2016, VIII ZR 70/16, GE 2017, 222; Schmidt-Futterer/Blank/Fervers, § 577 Rn. 14).

Das Vorkaufsrecht entsteht aber auch schon dann, wenn Wohnungseigentum erst begründet werden soll. Umstritten ist, ob dazu jede eindeutige Äußerung der Umwandlungsabsicht genügt, wie etwa das Bewirken der Abgeschlossenheit (verneinend: Schmidt, DWW 1994, 72; Langhein, DNotZ 1993, 650 [655]; bejahend: Beuermann, GE 1993, 951 [952]; Derleder, PiG 49 [1996], 169 [173]). Das Vorkaufsrecht entsteht aber zumindest dann, wenn die Mietwohnung als noch umzuwandelnde Eigentumswohnung verkauft wird, nachdem die Umwandlungsabsicht bereits nach außen dokumentiert worden ist, z. B. durch die Aufnahme der Umwandlungsverpflichtung in den Kaufvertrag oder die Beurkundung der Teilungserklärung. Das Vorkaufsrecht besteht auch dann, wenn die Wohnungen von Anfang an als Eigentumswohnungen geplant worden sind und wenn der Mieter vom Umwandlungsplan des Eigentümers Kenntnis hatte (BGH, VIII ZR 143/15, NJW 2017, 156; BGH, Urteil v. 7.12.2016, VIII ZR 70/16, a.a.O.; Schmidt-Futterer/Blank/Fervers, § 577 Rn. 7; Klühs, NZM 2016, 812).

Der Begründung von Wohnungseigentum ist die Begründung eines Wohnungserbbaurechts nach § 30 WEG gleichzusetzen (Schmidt-Futterer/Blank/Fervers, § 577 Rn. 15; Blank, WuM 1993, 573 [577]; Maciejewski, MM 1994, 137 [138]; Brambring, ZAP 1993, 965 [966]; str.). Dagegen dürfte die Begründung des Dauerwohnrechts nach § 31 WEG nicht das Vorkaufsrecht auslösen, weil dieses nicht der Umwandlung in Wohnungseigentum derart gleichsteht wie die Begründung eines Wohnungserbbaurechts

 

Rz. 8

Ferner muss nach Überlassung, Mietvertragsabschluss und Umwandlung bzw. Umwandlungsabsicht über die Wohnung ein wirksamer Kaufvertrag abgeschlossen worden sein. Das Vorkaufsrecht gilt nur für Wohnräume. Bei Mischräumen kommt es darauf an, in welchem Bereich der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses liegt; dabei ist auf den Nutzungszweck abzustellen, den der Mieter mit der Anmietung des Mietobjekts vertragsgemäß verfolgt (BGH, Urteil v. 13.1.2021, VIII ZR 66/19, GE 2021, 496 = WuM 2021, 242; BGH, Urteil v. 23.10.2019, XII ZR 125/18, GE 2020, 50; std. Rspr.).

Liegt der Schwerpunkt auf der Wohnraumnutzung so besteht das Vorkaufsrecht (Schmidt-Futterer/Blank/Fervers, § 577 Rn. 11; Wirth, NZM 1998, 390).

Ist lediglich eine Wohnung vermietet und wird an der Wohnung und an einer nicht mitvermieteten Garage ein einheitliches Sondereigentum begründet, so erstreckt sich das Vorkaufsrecht grds. nur auf die Wohnung.

 
Hinweis

Zwei separate Verträge

Bei einem schriftlichen Wohnungsmietvertrag und einem separat abgeschlossenen Mietvertrag über eine Garage spricht eine tatsächliche Vermutung für die rechtliche Selbstständigkeit der beiden Vereinbarungen (BGH, Beschluss v. 11.3.2014, VIII ZR 374/13, MietPrax-AK § 535 BGB Rn. 61; BGH, Beschluss v. 3.9.2013, VIII ZR 165/13, GE 2013, 1454; BGH, Beschluss v. 4.6.2013, VIII ZR 422/12, NZM 2013,726), so dass sich das Vorkaufsrecht nur...

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