Rz. 26

Nach dem Wortlaut des § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 ist eine vorherige Abmahnung keine Wirksamkeitsvoraussetzung einer ordentlichen Kündigung. Dementsprechend ist für die ordentliche Kündigung wegen nicht unerheblicher Vertragsverletzung auch grundsätzlich keine Abmahnung erforderlich. Allerdings kann der Abmahnung für die Kündigung ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleiht (BGH, Urteil v. 28.11.2007, VIII ZR 145/07, GE 2008, 114; LG Berlin, Beschluss v. 23.2.2018, 66 S 243/17, WuM 2018, 371). Die Frage, welche Bedeutung eine Abmahnung, die vor einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses erklärt wurde, für die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung hat, entzieht sich weitgehend generalisierender Betrachtung (BGH, Beschluss v. 25.8.2020, VIII ZR 59/20, ZMR 2021, 29).

 

Rz. 27

Die Abmahnung muss den beanstandeten vertragswidrigen Gebrauch so genau bezeichnen, dass sich der Mieter danach richten und sein Verhalten darauf einstellen kann (AG München, Urteil v. 7.2.2013, 411 C 25348/12, ZMR 2013, 450). Wenn es sich um einen konkret vertragswidrigen Gebrauch handelt, ist die Abmahnung unproblematisch. Bei wiederkehrenden Verhaltensweisen des Mieters, wie z. B. ruhestörender Lärm, Verschmutzungen, Beschädigungen, reicht es nicht aus, den Mieter allgemein aufzufordern, sich der Hausordnung gemäß zu verhalten. Die Abmahnung muss so konkret sein, dass der Mieter sich entsprechend einstellen und sein Verhalten ändern kann. Dabei muss die Abmahnung nicht datumsmäßig und stundenweise einzelne Vorfälle aufzeichnen, sondern nur die Grundbeanstandung nennen (die genaue Konkretisierung muss dann allerdings im Prozess erfolgen, da die einzelnen Vorfälle nachvollzogen werden müssen und auch der Mieter die Gelegenheit haben muss, durch Gegendarstellung im Einzelnen zu reagieren).

Ist eine Vermieterkündigung zwar materiell unwirksam, enthält sie aber einen einschlägigen Kündigungsvorwurf, liegt darin konkludent eine Abmahnung des kündigungsbegründenden Verhaltens (LG Berlin, Urteil v. 9.4.2015, 67 S 28/15, WuM 2015, 421; AG Hamburg-Wandsbek, Urteil v. 14.3.2019, 713 C 270/18, ZMR 2019, 510).

Die Abmahnung muss dem Mieter auch zugehen und von ihm zur Kenntnis genommen werden. Bestreitet der Mieter den Zugang oder die positive Kenntnisnahme der Abmahnung, ist im Fall des fortgesetzten pflichtwidrigen Verhaltens des Mieters kündigungsrechtlich lediglich von dessen fahrlässigem Zuwiderhandeln gegen die vom Vermieter ausgesprochene Abmahnung auszugehen, es sei denn, der Vermieter beweist nicht nur den Zugang der Abmahnung, sondern auch deren positive Kenntnisnahme durch den Mieter (LG Berlin, Beschluss v. 28.9.2021, 67 S 139/21, ZMR 2021, 980).

 

Rz. 28

Zwischen Abmahnung und Kündigung muss ein ausreichender Zeitraum liegen, da der Mieter Gelegenheit haben muss, sein Verhalten umzustellen. Spricht der Vermieter gegenüber dem Mieter wegen Zahlungsverzugs eine fristgebundene (Ab-)Mahnung aus, verzichtet er damit konkludent auf den Ausspruch einer außerordentlichen oder ordentlichen Kündigung bis zum fruchtlosen Ablauf der gesetzten Frist; eine auf den (ab-)gemahnten Zahlungsverzug gestützte Kündigung ist deshalb unwirksam, wenn sie vor Fristablauf erklärt wird (LG Berlin, Beschluss v. 26.9.2017, 67 S 166/17, WuM 2017, 655).

Wie lange diese Frist zu bemessen ist, hängt vom Einzelfall ab. Der Zeitraum zwischen der Abmahnung und Kündigung darf aber nicht so lang sein, dass die Schlussfolgerung gerechtfertigt ist, der Vermieter habe auf sein Recht zur Kündigung nach Abmahnung inzwischen verzichtet und nehme das Verhalten des Mieters nunmehr hin.

Muster [573-1]

Abmahnung

 
 
Name, Anschrift Datum
(Vermieter)  

Per Bote

An

Name, Anschrift

(Mieter)

Betreff: Abmahnung wegen ständig unpünktlicher Mietzahlung und ruhestörenden Lärms

Sehr geehrte(r) Frau/Herr …,

als Vermieter Ihrer Wohnung habe ich festgestellt, dass Sie

  1. Ihre Miete ständig unpünktlich zahlen,
  2. ständig übermäßigen Lärm im Hause verursachen.

Zu 1.

Nach § 4 des Mietvertrags sind Sie verpflichtet, die Miete monatlich im Voraus, spätestens am dritten Werktag des Monats, an mich zu zahlen. Dieser Pflicht sind Sie in der Vergangenheit insofern nicht nachgekommen, als Sie die Miete ständig unpünktlich an wechselnden Tagen im Laufe des Monats zahlen. So haben Sie im vergangenen Monat die Miete erst am 15. des Monats bezahlt, im Monat davor am 23. und davor am 27. Ich bin nicht bereit, diese Unpünktlichkeit hinzunehmen, und fordere Sie nachdrücklich auf, die Miete vertragsgerecht zum dritten Werktag zu begleichen.

Zu 2.

Nicht nur ich, sondern weitere Mieter des Hauses haben festgestellt, dass Sie in der letzten Zeit oft nachts im Treppenhaus singen, schreien, grölen, wobei dahinstehen mag, ob dies auf übermäßigen Alkoholgenuss oder Ähnliches zurückzuführen ist. Dies geschah z.B. vorgestern am … gegen Mitternacht und zwei Tage zuvor um 3.00 Uhr morgens und auch schon an mindestens...

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