1 Hintergründe und Grundlagen des Kindesunterhalts

1.1 Grundsätzliches zum Kindesunterhalt

§ 1601 BGB enthält die Grundnorm für den Kindesunterhalt als Form des Verwandtenunterhaltes. Nach dieser Vorschrift sind Verwandte in gerader Linie einander zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Anspruchsteller und Anspruchsgegner müssen demnach in gerader Linie verwandt sein, mithin voneinander abstammen (§ 1589 BGB). Diese Voraussetzung ist auch gegeben, wenn die Verwandtschaft durch Annahme begründet worden ist (§§ 1741 ff. BGB).

Für den Kindesunterhalt unerheblich ist dem Grunde nach, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht.

Zu unterscheiden ist der Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder vom Unterhaltsanspruch volljähriger Kinder. Auf die jeweiligen Unterschiede wird im Rahmen dieses Handbuchs an geeigneter Stelle eingegangen.

1.2 Dauer des Unterhaltsanspruchs, Fälligkeit und Unterhaltsarten

Der Kindesunterhaltsanspruch ist zeitlich nicht beschränkt. Er endet erst dann, wenn keine Bedürftigkeit mehr gegeben ist. Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das unterhaltsberechtigte Kind die erste Ausbildung zu einem angemessenen Beruf beendet hat (§ 1610 Abs. 2 BGB). Der Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes kann aber wiederaufleben, wenn die erneute Bedürftigkeit nach erfolgreicher Ausbildung und Tätigkeit im erlernten Beruf – z. B. infolge einer krankheitsbedingten Erwerbsunfähigkeit – eintritt.

Unterhalt ist eine Geldschuld (§ 1612 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB), die monatlich im Voraus zu zahlen ist. Dies ergibt sich für den Verwandtenunterhalt aus § 1612 Abs. 3 Satz 1 BGB. Geschuldet wird immer der volle Monatsbetrag, auch wenn der Berechtigte im Laufe des Monats verstirbt. Gemäß § 1612a Abs. 3 Satz 2 BGB wird der höhere Unterhalt aufgrund der nächsten Altersstufe ab dem Beginn des Monats geschuldet, in dem das Kind das betreffende Lebensjahr vollendet.

Der Unterhaltspflichtige kann in Ausnahmefällen verlangen, dass ihm eine andere Art der Unterhaltsgewährung gestattet wird (§ 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dieses Gestaltungsrecht ermöglicht es Eltern, ihr Kind ausnahmsweise auf Naturalunterhalt zu verweisen, z. B. indem Naturalunterhalt durch Gewährung von Wohnraum, Verpflegung und Kleidung angeboten und Taschengeld als Teil des Naturalunterhalts in bar ausgezahlt wird. Hierfür müssen jedoch besondere Gründe vorliegen, wobei diese Gründe sowohl in der Person des Pflichtigen als auch des Berechtigten liegen können. Im Rahmen einer Billigkeitsabwägung sind dabei die beiderseitigen berechtigten und schützenswerten Interessen einzubeziehen. Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Eltern und die Kinder gegenseitig Rücksicht nehmen müssen (vgl. § 1618a BGB). Bestimmen die Eltern Naturalunterhalt in ihrem Haushalt, ist dies nicht allein unwirksam, weil die Beziehung belastet ist. Auseinandersetzungen zwischen dem Kind und den Eltern über Mithilfe und gegenseitige Rücksichtnahme im elterlichen Haushalt stellen typische Konflikte im Rahmen des familiären Zusammenlebens dar. Sie rechtfertigen es allein noch nicht, die Bestimmung der Eltern, dem volljährigen Kind den Kindesunterhalt in Form von Naturalleistungen zu gewähren, als unwirksam anzusehen.[1]

1.3 Leitlinien der Oberlandesgerichte und Tabellen

Alle Oberlandesgerichte haben Leitlinien herausgegeben, aus denen sich die bisherige Unterhaltsrechtsprechung des jeweiligen Oberlandesgerichts ergibt. Diese Leitlinien sind eine wertvolle Hilfe bei der Beratung, sie dienen dem Ziel der Erleichterung und Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts.

Die Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstags hat sich im Jahr 2003 auf eine einheitliche Struktur für die unterhaltsrechtlichen Leitlinien geeinigt, diese Empfehlung wurde zwischenzeitlich von allen Oberlandesgerichten umgesetzt. So lässt sich bei der Anwendung sehr schnell herausfinden, wo im Detail Abweichungen zwischen den Oberlandesgerichten vorliegen.

In der Praxis sind diese Leitlinien eine große Hilfe, wenn ein Unterhaltsanspruch in einem anderen Oberlandesgerichtsbezirk durchzusetzen ist.

Die Leitlinien sind vom BGH[1] als Orientierung für die Unterhaltsberechnung anerkannt worden. Die Zulassung der Revision kann allerdings nicht damit begründet werden, dass ein Gericht von seiner eigenen Leitlinie abgewichen ist, sondern nur unter den allgemeinen Voraussetzungen. Eine aktuelle Übersicht über die Leitlinien aller Oberlandesgerichte ist im Internet unter http://familienanwaelte-dav.de/fuer-familienanwaelte/arbeitshilfen zu finden.

Die Düsseldorfer Tabelle ist die in der Praxis grundsätzlich angewandte Methode zur Ermittlung des Unterhaltsbedarfs minder- und volljähriger Kinder. Sie wird von der Unterhaltskommission des Deutschen Familiengerichtstags herausgegeben und bei Änderung des Mindestunterhalts entsprechend angepasst. Sie unterscheidet nach insgesamt 4 Altersgruppen (0-5 Jahre, 6-11 Jahre, 12-17 Jahre, ab 18 Jahre) und differenziert den Unterhaltsbedarf nach der Höhe des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Unterhaltspflichtigen. Die Düsseldorfer Tabelle umfasst seit 2022 insgesamt 15 Einkommensstufen. Bis 2021 umfasste die Düsseld...

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