Von Bedeutung sind die Fälle, in denen der gegenüber einem minderjährigen Kind Unterhaltspflichtige unter weitgehender Aufgabe seiner bisherigen Berufstätigkeit die Rolle eines Hausmanns bzw. einer Hausfrau übernimmt, während der neue Partner erwerbstätig ist. Diese rollenspezifische Gestaltungsfreiheit bleibt dem Unterhaltsschuldner vorbehalten. Sie darf sich jedoch nicht zu Lasten unterhaltsbedürftiger Kinder auswirken. Vielmehr ist zu prüfen, ob dem unterhaltspflichtigen Elternteil zuzumuten ist, neben der Betreuung eine Nebenbeschäftigung zu übernehmen, um den Barunterhalt ganz oder teilweise aufzubringen.

Betreut er ein kleines Kind, muss er während der ersten beiden Lebensjahre des von ihm betreuten Kindes keiner Erwerbstätigkeit nachgehen.[32] Die Wahlfreiheit zwischen Erwerbstätigkeit und Betreuung soll gewährleistet werden. Das Elterngeld ist jedoch als Einkommen des Pflichtigen zu berücksichtigen, soweit es den Betrag von 300 EUR bzw. bei verlängertem Bezug von 150 EUR je berücksichtigungsfähigem Kind monatlich übersteigt (§ 11 BEEG).[33] Eine Erwerbsobliegenheit trifft den alleinerziehenden Unterhaltspflichtigen erst ab Beendigung des 3. Lebensjahres des Kindes (vgl. § 1615l Abs. 2, § 1570 Abs. 1 BGB). Besteht dagegen eine Betreuungsmöglichkeit durch den neuen Partner, beginnt die Erwerbsobliegenheit nach den ersten beiden Lebensjahren.[34]

Der Rollenwechsel ist keinesfalls hinzunehmen, wenn aus der neuen Beziehung keine Kinder hervorgegangen sind.[35] Ein Rollenwechsel ist zudem nur zu akzeptieren, wenn die Rollenwahl den Familienunterhalt der neuen Familie wesentlich günstiger gestaltet, d. h. der neue Ehegatte ein erheblich höheres Einkommen erzielt, als es der Unterhaltsschuldner bei Erwerbstätigkeit erzielen könnte, oder sonst rechtfertigende Gründe von gleichem Gewicht (z. B. kein Rollenwechsel im Vergleich zur früheren Partnerschaft) vorliegen.[36] Hintergrund ist, dass die Unterhaltsansprüche der minderjährigen unverheirateten Kinder aus verschiedenen Beziehungen im Rang gleichstehen und der Unterhaltsschuldner seine Arbeitskraft zum Unterhalt aller Kinder einsetzen muss.[37]

 
Wichtig

Nebentätigkeit bei Rollenwechsel

Ist der Rollenwechsel hinzunehmen, muss der Unterhaltsschuldner trotz Betreuung des Kindes aus der neuen Ehe und der Haushaltsführung aufgrund seiner gesteigerten Unterhaltspflicht eine Nebenerwerbstätigkeit annehmen, um somit zumindest für einen Teil des Kindesunterhalts aufzukommen. Sein eigener Unterhalt wird i. d. R. durch seinen besser verdienenden neuen Partner gedeckt sein, so dass kein Selbstbehalt anzusetzen ist.

Der Umfang der Nebentätigkeit hängt im Übrigen davon ab, in welchem Maße der Unterhaltspflichtige nach den individuellen Verhältnissen in der neuen Partnerschaft zu einer solchen Tätigkeit in der Lage ist. Dabei sind neben dem Alter der von ihm betreuten Kinder auch die berufliche Inanspruchnahme seines neuen Partners und sonstige Betreuungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Ist der neue Partner beruflich derart belastet, dass er den Unterhaltsschuldner nicht persönlich entlasten kann oder will, ist stets zu prüfen, ob er seiner Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die weiteren Unterhaltspflichten seines Partners nicht auf andere Weise genügen kann. Dies kann auch durch die Finanzierung einer Hilfe für die Haushaltsführung und Kindesbetreuung geschehen.

Eine Kontrollrechnung, welches Einkommen der Unterhaltspflichtige beim hypothetischen Rollentausch erzielen könnte, wenn er statt der Familienarbeit die Alleinverdienerrolle übernehmen würde, muss nicht erfolgen.[38]

Eltern müssen grundsätzlich auch den Stamm ihres Vermögens für den Kindesunterhalt einsetzen. Minderjährige unverheiratete Kinder sind umgekehrt nicht zur Verwertung ihres Vermögensstamms verpflichtet (§ 1602 Abs. 2 BGB); eine Ausnahme besteht nur, wenn ansonsten ein Elternteil seinen angemessenen Eigenbedarf gefährden würde (§ 1603 Abs. 2 Satz 3, 2. HS BGB). Volljährige Kinder, und zwar auch solche, die sich in Schulausbildung oder im Studium befinden, haben bei fehlenden eigenen Einkünften evtl. eigenes Vermögen für den Unterhalt zu verwenden.[39]

Die Verpflichtung der Eltern zur Verwertung ihres Vermögensstamms besteht nicht, wenn sie mit einem wirtschaftlich nicht mehr vertretbaren Nachteil verbunden wäre. Dies ist der Fall, wenn dem unterhaltspflichtigen Elternteil Erträge vorenthalten würden, die zur Bestreitung seines eigenen Unterhalts, zur Erfüllung sonstiger Unterhaltspflichten oder zur Erfüllung sonstiger Verbindlichkeiten gegenüber Dritten erforderlich sind. Deshalb kann die Verwertung einer Immobilie nicht gefordert werden, wenn sie dem Wohnbedarf des Unterhaltspflichtigen und seiner Familie dient.[40]

Bei Verbindlichkeiten des Unterhaltsschuldners ist zwischen berücksichtigungsfähigen und nicht berücksichtigungsfähigen zu unterscheiden. Zu welcher Kategorie eine Verbindlichkeit gehört, kann nur aufgrund einer Gesamtabwägung der Belange des Verpflichteten, des Berechtigten und des Drittgläubiger...

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