In diesem Fall hat der Pflichtige im Verhältnis zu seinem Ehegatten den höheren Anteil am Familienunterhalt nach §§ 1360, 1360a BGB zu tragen. Die hieraus herrührende Belastung (die über die Sicherstellung seines eigenen Lebensbedarfs hinausgeht) kann er dem Unterhaltsanspruch eines minderjährigen Kindes nicht entgegenhalten, da dessen Anspruch vorrangig ist (§ 1609 Nr. 1 BGB).

Dagegen ist der Unterhaltsanspruch eines volljährigen Kindes gegenüber dem Unterhaltsanspruch des Ehegatten des Elternteils nachrangig (§ 1609 Nr. 4 BGB), sodass im Mangelfall der Unterhaltsbedarf des Ehegatten vorrangig zu berücksichtigen ist. Allerdings ist zu beachten, dass der Unterhaltsanspruch des volljährigen Kindes unabhängig von seinem Rangverhältnis gegenüber dem Ehegattenunterhalt die ehelichen Lebensverhältnisse nach § 1578 BGB prägt. Entsprechend wirkt sich diese Unterhaltsbelastung auf den Familienunterhalt aus.

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 6:

Der 22-jährige Student S. verlangt von seinem Vater V. Unterhalt in Höhe von monatlich 500 EUR. V. ist erneut verheiratet und erzielt aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit monatlich 2.600 EUR netto. Seine Ehefrau F. hat kein Einkommen. Die Mutter von S. ist leistungsunfähig.

V. kann für sich den pauschalen angemessenen Selbstbehalt von 1.300 EUR beanspruchen. Für den vorrangigen Familienunterhalt für seine Ehefrau F. ist ein pauschaler Bedarf von 1.040 EUR[37] vom Einkommen des V. abzusetzen. Ein Abzug für die Haushaltsersparnis ist nicht vorzunehmen, da er bereits in dem Bedarf der F. enthalten ist. Ihr angemessener Bedarf beträgt nämlich 1.300 EUR, sodass den Eheleuten insgesamt 2.600 EUR zustehen, die jedoch wegen der Synergieeffekte aus der gemeinsamen Lebensführung um 10 % = 260 EUR zu kürzen sind. Die bei dem Bedarf der F. vorgenommene Kürzung um diesen Betrag führt zu dem gleichen Ergebnis wie die Kürzung der auf die Ehegatten entfallenden Einzelbeträge.

Es verbleiben somit 260 EUR (2.600 EUR ./. 1.300 EUR ./. 1.040 EUR), die V. für den Unterhalt des S. einsetzen muss.

 
Praxis-Beispiel

Abwandlung Bsp. 6:

Die Ehefrau des V. hat ein Einkommen von monatlich 800 EUR.

V. kann die Unterhaltsbelastung durch den Familienunterhalt für F. nur noch in Höhe von 240 EUR (1.040 EUR ./. 800 EUR Einkommen der F.) von seinem Einkommen absetzen, so dass 1.060 EUR (2.600 EUR ./. 1.300 EUR ./. 240 EUR) verbleiben und eine uneingeschränkte Leistungsfähigkeit für den von S. beanspruchten Kindesunterhalt besteht.

Dem Umstand, dass der Unterhalt des in der Berufsausbildung befindlichen volljährigen Kindes den Unterhaltsbedarf der Eheleute einerseits zwar prägt, andererseits aber ihm gegenüber nachrangig ist, kann am besten dadurch Rechnung getragen werden, dass für die Ehegatten ein pauschalierter angemessener Bedarf zugrunde gelegt wird und das darüber hinausgehende Einkommen für den Kindesunterhalt zur Verfügung gestellt wird. Bei einem volljährigen Kind, das schon eine selbstständige Lebensstellung erreicht hat, ist der pauschale angemessene Bedarf des Pflichtigen und seines Ehegatten in Anlehnung an den Elternunterhalt auf insgesamt 3.240 EUR (1.800 EUR + 1.440 EUR) zu erhöhen.[38]

Autor: Fritz Finke , Vors. Richter am OLG a.D., Hamm

FF 3/2018, S. 90 - 98

[37] Düsseldorfer Tabelle B VI 2 sowie überwiegend die Leitlinien der Oberlandesgerichte unter Nr. 22.2, wobei der Betrag meist als Mindestbetrag bezeichnet wird.
[38] BGH FamRZ 2012, 1533; 2012, 530; Leitlinien des OLG Köln Nr. 22.2.

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