1. Hat der einem Kind unterhaltspflichtige Ehegatte ein geringeres Einkommen als sein nicht mit dem Kind verwandter Ehegatte, so ist zunächst festzustellen, in welchem Umfang der Pflichtige im Rahmen des Familienunterhalts durch seinen Ehegatten entlastet wird, der aufgrund seines höheren Einkommens einen größeren Anteil hieran zu tragen hat (§ 1360 BGB).

Die Verpflichtung, zum Familienunterhalt beizutragen, trifft nach § 1360 BGB beide Ehegatten entsprechend ihrem Einkommen und Vermögen, soweit nicht einer der Partner die Haushaltsführung übernommen hat und deshalb kein weiterer Beitrag zum Familienunterhalt von ihm erwartet werden kann. Der Familienunterhalt umfasst nach § 1360a BGB die Kosten, die nach den Verhältnissen der Eheleute erforderlich sind, um den Haushalt zu führen und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen. Der aus dieser Verpflichtung herrührende wechselseitige Anspruch der Ehegatten ist nicht auf entsprechende gegenseitige Barleistungen gerichtet, sondern darauf, die notwendigen Aufwendungen zu tragen. Bei der Ermittlung von Ansprüchen auf Verwandtenunterhalt und auch beim Ehegattenunterhalt (z.B. Anspruch der geschiedenen Ehefrau unter Berücksichtigung der mit dem Ehemann zusammenlebenden gleichrangigen neuen Ehefrau) werden die Anteile der Ehegatten am Familienunterhalt monetarisiert, und zwar im Wege der Halbteilung ohne Abzug eines Erwerbstätigen-Bonus.[1]

Soweit die Ehegatten von ihrem Einkommen Aufwendungen für Altersvorsorge und/oder Vermögensbildung betrieben haben, ist zu differenzieren: Der seinem Kind unterhaltspflichtige Ehegatte ist neben den Aufwendungen für die gesetzliche Rentenversicherung auf zusätzliche Aufwendungen in Höhe von 4 % (beim Elternunterhalt: 5 %) seines Bruttoeinkommens beschränkt, während dem mit dem Kind nicht verwandten Ehegatten weitergehende Aufwendungen für diese Zwecke zuzugestehen sind, soweit sie unter Berücksichtigung des gesamten Lebensstandards der Eheleute nicht objektiv unangemessen sind.[2] Der seinem Kind unterhaltspflichtige Ehegatte hat zur Ermittlung des Familienunterhalts einen Auskunftsanspruch gegen seinen Ehegatten, der in seinem Umfang der Auskunft nach § 1605 Abs. 1 BGB entspricht.[3]

Die Bemessung des Anteils eines jeden Ehegatten mit einem Geldwert führt dazu, dass in Höhe dieses Betrages der Bedarf für den Lebensunterhalt als gedeckt anzusehen ist. Wird der Familienunterhalt überwiegend oder sogar allein durch einen Ehegatten sichergestellt, da er über das höhere oder sogar das alleinige Einkommen verfügt, erfährt der Ehegatte mit dem niedrigeren oder sogar fehlenden Eigeneinkommen hierdurch einen wirtschaftlichen Vorteil. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH nehmen hieran barunterhaltsberechtigte Kinder dieses Ehegatten teil, wenn sie diesen auf Unterhalt in Anspruch nehmen.[4]

 
Praxis-Beispiel

Beispiel 1:

F. ist unterhaltspflichtig gegenüber einem 14-jährigen Kind aus 1. Ehe, das beim Vater lebt. Sie ist erneut verheiratet und erzielt aus einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit monatlich 1.000 EUR netto. Ihr Ehemann M. hat ein Einkommen von monatlich 2.900 EUR.

Der Familienunterhalt der Eheleute beträgt monatlich 3.900 EUR, wenn man davon ausgeht, dass sie ihr gesamtes Erwerbseinkommen für den Lebensunterhalt ausgeben. Der gesicherte Lebensbedarf beträgt für jeden Ehegatten 1.950 EUR. Dies ist für die Leistungsfähigkeit der F. zugrunde zu legen.

Der BGH[5] hat in einem Fall mit vergleichbaren Einkommensverhältnissen der Ehegatten nur die Frage der Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit des einem minderjährigen Kind unterhaltspflichtigen Ehegatten geprüft und bejaht. Dies war folgerichtig, da für das Kind nur der Mindestunterhalt verlangt wurde und es nicht darum ging, ob dem Kind ein Bedarf nach einer höheren Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle zustand.

 
Praxis-Beispiel

Den Mindestbedarf von 370 EUR (467 EUR abzgl. KG) kann die F. ohne Beeinträchtigung ihres angemessenen Selbstbehalts[6] von 1.170 EUR (1.300 EUR abzgl. 10 % Haushaltsersparnis[7] aus dem Zusammenleben mit M.) zahlen. Es liegt kein Fall der gesteigerten Unterhaltsverpflichtung nach 1603 Abs. 2 S. 1 BGB vor, bei dem F. eine Inanspruchnahme bis zum notwendigen Selbstbehalt von 1.080 EUR (bzw. ggf. 972 EUR nach Abzug von 10 %)[8] hinnehmen müsste. Der angemessene Selbstbehalt von 1.300 EUR wird in der Düsseldorfer Tabelle zwar immer nur als Selbstbehalt gegenüber dem volljährigen Kind erwähnt, gilt jedoch auch für das minderjährige Kind. Eine Inanspruchnahme des Pflichtigen bis zum notwendigen Selbstbehalt kommt nach § 1603 Abs. 2 BGB in Betracht, wenn das über dem angemessenen Selbstbehalt des Pflichtigen liegende Einkommen nicht zur Deckung des Kindesbedarfs ausreicht und auch kein anderer Unterhaltspflichtiger vorhanden ist, der den Kindesbedarf ohne Beeinträchtigung seines eigenen angemessenen Selbstbehalts decken könnte (§ 1603 Abs. 2 BGB).

Der Umstand, dass der F. zur Deckun...

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