Die unterhaltsrechtlichen Besonderheiten beim Wechselmodell kommen nur dann zum Tragen, wenn auch tatsächlich ein Wechselmodell praktiziert wird. Teilweise wird in der Praxis vorschnell von einem Wechselmodell ausgegangen, obwohl das Schwergewicht der Betreuung tatsächlich bei einem Elternteil liegt und demnach ein Residenzmodell vorliegt. Nach der Rechtsprechung des BGH[1] ist die auf dem Residenzmodell beruhende und § 1606 Abs. 3 BGB tragende gesetzliche Beurteilung solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil – auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse – zum Barunterhalt verpflichtet ist. An der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt ändert sich nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert.[2] Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht i. S. d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung indizielle Bedeutung zu, ohne dass die Beurteilung sich allein hierauf zu beschränken braucht.[3] Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht i. S. d. § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung.[4]

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Rechtsprechung akzeptiert ein Wechselmodell nur bei einer paritätischen Beteiligung beider Eltern an der Betreuung. Selbst bei Betreuungsanteilen zwischen 43 bis 45 % ist diese Voraussetzung noch nicht erreicht, sodass das Kind seinen Lebensmittelpunkt weiterhin im Haushalt des Elternteils mit einem nur geringfügig höheren Betreuungsanteil hat.[5] Die Abgrenzung zum Residenzmodell erfolgt vorrangig nach den jeweiligen Zeitanteilen, wenngleich diese nicht das ausschließliche Kriterium bilden. Die Abgrenzung zum Residenzmodell wird aber umso schwieriger, je weiter sich die Zeitanteile der Eltern aneinander annähern. Fraglich ist dabei auch, wie die Zeitanteile korrekt zu berechnen sind – zählen die Tage und die Nächte gleichwertig, sind Ferienzeiten zu berücksichtigen oder nicht, beteiligen sich beide Eltern an der Organisation des kindlichen Lebens oder fallen diese Aufgaben nur einem Elternteil zur Last.[6]

 
Praxis-Tipp

Für der Beratungspraxis empfiehlt es sich, neben der Zeitaufteilung auch substantiiert zu den im Einzelnen wahrgenommenen Aufgaben vorzutragen. Wer ist Hauptansprechpartner für Ärzte oder Lehrer? Wer kümmert sich vorrangig um die Organisation der Freizeit, Hobbys etc.?

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