Es entspricht der vom BGH[1] gebilligten tatrichterlichen Praxis, sich bei der Bemessung des angemessenen Unterhaltes i. S. d. § 1610 Abs. 1 BGB an den von den Oberlandesgerichten entwickelten Tabellenwerken zu orientieren. Durch die Düsseldorfer Tabelle wird eine bundesweit möglichst gleichwertige Behandlung des Barkindesunterhaltsbedarfs gewährleistet. Dieser richtet sich nach dem bereinigten Nettoeinkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils.

Der BGH hatte in der Vergangenheit eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte nicht für sachgerecht gehalten und bei hohen Einkommen stattdessen grundsätzlich eine konkrete Bedarfsermittlung verlangt[2]. Diese Rechtsprechung hat der BGH mit seiner Entscheidung vom 16.9.2020[3] geändert. In dieser Entscheidung hat der BGH eine begrenzte Fortschreibung der in der Düsseldorfer Tabelle enthaltenen Bedarfsbeträge bis zur Höhe des Doppelten des höchsten darin seinerzeit ausgewiesenen Einkommensbetrags von 5.500 EUR erlaubt. Dementsprechend ist die Düsseldorfer Tabelle seit dem Jahr 2022 von 10 auf 15 Einkommensgruppen bis zu einem Nettoeinkommen des/der Barunterhaltspflichtigen von 11.000 EUR erweitert worden.

Entsprechend der gesetzlichen Regelung zum Mindestunterhalt in § 1612a BGB existieren für minderjährige Kinder 3 Altersstufen (0 bis 5, 6 bis 11 und 12 bis 17 Jahre).

 
Hinweis

Die seit dem 1.1.2022 eingeführten Einkommensgruppen 11 bis 15 sind auch für Zeiträume bis 2021 anzuwenden, soweit das unterhaltsrelevante Einkommen seinerzeit über die bis zum Jahr 2022 geltende höchste 10. Einkommensgruppe hinausging. Das OLG Düsseldorf[4] führt insoweit aus:

"Die rückwirkende Anwendung der mit der Düsseldorfer Tabelle 2022 eingeführten weiteren Einkommensgruppen ist im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung des Kindesbedarfs bei hohen Elterneinkünften geboten. Danach darf der Kindesunterhalt bei einem den – bis 2021 maßgeblichen – höchsten Einkommensbetrag der Düsseldorfer Tabelle übersteigenden Einkommen nicht auf den für die – bis 2021 einschlägige – höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle geltenden Richtsatz festgeschrieben werden (BGH, FamRZ 2021, 28, Rn. 19). Um eine solche Bedarfsbeschränkung zu vermeiden, kann Anlass für eine über die höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle hinausgehende Fortschreibung der Tabellenwerte bestehen, die keine konkrete Bedarfsermittlung verlangt (vgl. BGH, FamRZ 2021, 28, Rn. 17 ff.). Auf dieser Grundlage erscheint eine solche Fortschreibung geboten, da auf diesem Weg die vom Bundesgerichtshof geforderte Bedarfsbemessung ohne konkrete Bedarfsermittlung auch bei hohen Elterneinkünften nach einem bewährten und anerkannten generalisierenden Maßstab gewährleistet ist. Dies gilt auch für zurückliegende Unterhaltszeiträume, da die Erwägungen des Bundesgerichtshofs nicht auf neuen, erst zur Zeit seiner zitierten Entscheidung virulenten Umständen beruht. Dies führt zu keinem Verstoß gegen die Grundsätze der Düsseldorfer Tabelle, lässt diese doch in den älteren Fassungen jenseits des ausgewiesenen Höchsteinkommens ausdrücklich eine Festlegung nach den Umständen des Einzelfalls zu und damit auch eine Fortschreibung im Sinne der BGH-Entscheidung (Borth, FamRZ 2021, 31, 32). Hierfür ist auf die mit der Düsseldorfer Tabelle 2022 eingeführten weiteren Einkommensgruppen zurückzugreifen (vgl. KG, FamRZ 2022, 1775). Wenn damit eine klare Richtlinie für die Bedarfsbemessung besteht, spricht schon in Ermangelung tragfähiger anderweitiger Bemessungsmaßstäbe alles dafür, hierauf auch in denjenigen Fällen zurückzugreifen, die in zeitlicher Hinsicht nicht dem Anwendungsbereich dieser Tabelle unterfallen. Daher ist der Bedarf des Kindes auch insoweit nach Maßgabe der Einkommensgruppen Nr. 11 bis Nr. 15 der Düsseldorfer Tabelle 2022 zu bestimmen, als das unterhaltsrelevante Einkommen des Antragsgegners für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis 2021 über den Höchstbetrag gemäß der bis dahin einschlägigen höchsten Einkommensgruppe Nr. 10 der Düsseldorfer Tabelle hinausgeht."

In den Tabellenbeträgen sind grds. alle Lebenshaltungskosten des Kindes enthalten, insbesondere die Kosten für Nahrung, Wohnung, Krankenvorsorge, Ferien, Pflege musischer und sportlicher Interessen sowie Taschengeld.[5] Sofern das minderjährige Kind nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines Elternteils mitversichert ist, erhöhen die Krankenversicherungskosten den Bedarf des Kindes. Der Anspruch auf eine angemessene Kranken- und Pflegeversicherung gehört nämlich zum angemessenen Lebensbedarf des Kindes und ist damit für die Zeit der Minderjährigkeit vom Barunterhaltspflichtigen (anders als etwaiger Sonder- oder Mehrbedarf) allein zu tragen. Die Kosten der privaten Krankenversicherung sind dann von dem barunterhaltspflichtigen Elternteil alleine zu bezahlen.[6]

 
Hinweis

Da die Wohnkosten in der Regel 20 % des Tabellensatzes ausmachen, wurde in der Vergangenhei...

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