Im Unterhaltsrecht sind nicht nur die tatsächlichen Einkünfte relevant. Nicht selten spielen daneben fiktive Einkünfte eine Rolle. Fiktive Einkünfte sind dabei beim Kindesunterhalt insbesondere bei der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten von Relevanz. Sie werden insbesondere bei der Verletzung von Erwerbsobliegenheiten zugerechnet. Ein Verstoß gegen eine Erwerbsobliegenheit ist immer dann zu diskutieren, wenn ein Beteiligter in einem Unterhaltsverhältnis weniger oder gar nicht arbeitet oder trotz Erwerbstätigkeit ein zu geringes Einkommen generiert. Denn die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen wird nicht nur durch die tatsächlich vorhandenen Mittel bestimmt, sondern auch durch solche, die jeweils bei gutem Willen durch zumutbare Erwerbstätigkeit erzielt werden könnten.[1] Grundsätzlich besteht eine Erwerbsobliegenheit dahingehend, dass eine Vollzeittätigkeit ausgeübt wird. Abweichungen davon können sich beim Unterhaltsverpflichteten als auch beim Unterhaltsberechtigten – insbesondere durch Kinderbetreuung, Krankheit, Alter, berechtigte Altersteilzeit oder unverschuldete Arbeitslosigkeit – ergeben.

Die Berücksichtigung fiktiver Einkünfte setzt neben dem Vorwurf nicht ausreichender Bemühungen, einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden, voraus, dass unter Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Qualifikation Einkünfte in der fiktiv zurechenbaren Höhe tatsächlich hätten erzielt werden können (realistische Beschäftigungschance).[2]

Außerdem darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist.[3]

Die Fachgerichte sind von Verfassungs wegen gehalten, ihre Entscheidungsgrundlagen bei der Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt auf fiktiver Basis offenzulegen und somit deren Überprüfung zu ermöglichen.[4]

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