Leitsatz (amtlich)

1. Die Anfechtung eines Beschlusses der Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat kann nicht mit Erfolg darauf gestützt werden, dass der Vorstand nicht über einen bereits 1959 geschlossenen und im Zeitpunkt der Beschlussfassung jedenfalls noch wirksamen Beherrschungsvertrag berichtet und auch den Wortlaut dieses Beherrschungsvertrages nicht in der Hauptversammlung bekannt gegeben hat.

2. Eine Berichtspflicht des Vorstandes nach AktG §§ 312 ff. bestand vorliegend nicht, denn es handelt sich bei dem Vertrag aus dem Jahre 1959 um einen Beherrschungsvertrag im Sinne des AktG § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, der wirksam war, weil er als Beherrschungsvertrag ohne Gewinnabführungsverpflichtung der Zustimmung der Hauptversammlung im Zeitpunkt seines Abschlusses nicht bedurfte und ein derartiges Wirksamkeitserfordernis auch durch die Änderung des Aktienrechts im Jahre 1965 nicht geschaffen wurde.

3. Soweit beanstandet wird, dass der Beherrschungsvertrag in der Hauptversammlung nicht seinem Wortlaut nach bekannt gegeben wurde, kann dahingestellt bleiben, ob dem beschlussanfechtenden Aktionär insoweit ein Auskunftsrecht aus AktG § 131 Abs. 1 zustand, denn jedenfalls war die Verweigerung der Auskunft für die Entscheidung der Hauptversammlung, Vorstand und Aufsichtsrat Entlastung zu erteilen, nicht von maßgeblicher Bedeutung.

 

Normenkette

AktG § 131 Abs. 1, § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, § 291 ff., § 312ff

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 93 O. 86/98)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 24.10.2002; Aktenzeichen IX ZR 355/00)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das am 7.9.1998 verkündete Urteil des LG Berlin – 93 O 86/98 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 12.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer übersteigt für jeden Kläger 60.000 DM

 

Tatbestand

Die Kläger sind Aktionäre der Beklagten. Sie wenden sich gegen die von der Hauptversammlung der Beklagten am 6.5.1998 gefassten Beschlüsse zur Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Beklagten. Wegen des Vorbringens der Parteien und ihrer Anträge im ersten Rechtszug im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des LG Berlin vom 7.9.1998.

Das LG hat die Klage abgewiesen, weil die von den Klägern vorgebrachten Anfechtungsgründe gem. § 243 Abs. 1 AktG seiner Ansicht nach nicht vorliegen: Dem Vorstand der Beklagten habe entgegen der Ansicht der Kläger keine Berichtspflicht gem. §§ 312 ff. AktG oblegen, da zwischen der Beklagten und der A.V.-Aktiengesellschaft, heute A., am 10./13.2.1959 ein Beherrschungsvertrag geschlossen und dieser auch im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Hauptversammlung am 6.5.1998 wirksam gewesen sei. Eine Anfechtungsklage könne auch nicht erfolgreich darauf gestützt werden, dass der Vorstand der Beklagten den Wortlaut dieses Beherrschungsvertrages in der Hauptversammlung nicht bekannt gegeben habe; auf das Bestehen eines Auskunftsanspruchs der Kläger insoweit komme es dabei nicht an. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 7.9.1998 verwiesen.

Gegen das ihnen am 8.10.1998 zugestellte Urteil haben die Kläger am 5.11.1998 Berufung eingelegt. Sie haben diese nach Fristverlängerung bis zum 7.1.1999 auf am 1.12.1998 eingegangenen Antrag am 4.1.1999 begründet.

Die Kläger wenden sich gegen die rechtliche Würdigung des LG und verfolgen ihr Klagebegehren weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und führen ergänzend aus, das LG habe auch übersehen, dass der Vertrag zwischen der Beklagten und der A. vom 10./13.2.1959 inhaltlich über eine bloße Beherrschung hinausgehe. Die Kläger stützen ihre Anfechtung deshalb jetzt in erster Linie auf eine Verletzung der Berichtspflicht nach §§ 312 ff. AktG, weil der Vertrag zwischen der Beklagten und der A. tatsächlich kein Beherrschungsvertrag sondern ein Vertrag über eine Betriebsüberlassung und Funktionsausgliederung sei. Sie meinen weiter, dass diese Berichtspflicht jedoch auch verletzt sei, sehe man den Vertrag gleichwohl als einen Beherrschungsvertrag, da dieser dann jedenfalls mangels Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten unwirksam sei. Außerdem halten die Kläger die Entlastungsbeschlüsse mangels Auskunft des Vorstandes über den konkreten Inhalt des Vertrages vom Februar 1959 für rechtswidrig.

Die Kläger beantragen, das am 7.9.1998 verkündete Urteil des LG Berlin – 93 O 86/98 – zu ändern und die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 6.5.1998, und zwar

1. den Beschluss zu Pkt. 3, „Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr 1997”, mit dem den Mitgliedern des Vorstandes Entlastung erteilt worden ist,

2. den Beschluss zu Pkt. 4, „Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 1997”, mit dem den Mitgliedern des Aufsichtsrats Entlastung erteilt worden i...

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