Entscheidungsstichwort (Thema)

Elternunterhalt. hier: Verwirkung des Unterhaltsanspruchs bei zögerlicher gerichtlicher Geltendmachung nach Inverzugsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Unterhaltsgläubiger, der seinen Anspruch auf Elternunterhalt nach Inverzugsetzung nicht zügig gerichtlich geltend macht, sondern zunächst die - zögerliche - Auskunftserteilung des Unterhaltsschuldners sowie das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf Inanspruchnahme des Trägers der Sozialhilfe abwartet, kann seinen Unterhaltsanspruch verwirken.

2. Verwirkung kann auch dann eintreten, wenn der Unterhaltsanspruch bereits im Wege der Stufenklage rechtshängig geworden ist, der Unterhaltsgläubiger den Rechtsstreit aber über einen längeren Zeitraum nicht betreibt.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 1585b, 1601, 1602 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Urteil vom 18.06.2004; Aktenzeichen 158 F 135/01)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 18.6.2004 verkündete Urteil des AG Tempelhof-Kreuzberg - 158 F 135/01 - abgeändert:

Der Beklagte wird auf sein Anerkenntnis verurteilt, an die Klägerin einen monatlichen Unterhalt ab dem 1.6.2002 bis zum 30.6.2003 i.H.v. 696,62 EUR und ab dem 1.7.2003 fortlaufend i.H.v. 664 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Parteien streiten um Elternunterhalt für die in einem Pflegeheim lebende, demenzkranke Klägerin, die die Mutter des Beklagten ist.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen, durch die die Klage abgewiesen worden ist.

Die Klägerin vertieft in der Berufungsinstanz ihr Vorbringen zu ihrer Bedürftigkeit. Im Übrigen streiten die Parteien mit dem erstinstanzlichen Sachvortrag weiter um die Leistungsfähigkeit des Beklagten.

Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an sie

1. für den Zeitraum vom 1.11.1997-30.6.2002 Unterhalt i.H.v. 24.765,04 EUR

2. ab dem 1.7.2002 eine monatliche Unterhaltsrente jeweils bis zum ersten eines Monats i.H.v. 696,62 EUR, ab dem 1.7.2003 i.H.v. 687,43 EUR sowie ab dem 1.1.2004 i.H.v. 724,36 EUR zu zahlen.

Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung die Klageforderung insoweit anerkannt, als sie den monatlichen Unterhalt für die Zeit vom 1.6.2002 bis zum 30.6.2003 i.H.v. 696,62 EUR und seit dem 1.7.2003 fortlaufenden monatlichen Unterhalt von 664 EUR betrifft.

Im Übrigen beantragt er, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die zulässige, insb. form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist insoweit begründet, als der Beklagte auf sein Anerkenntnis hin zu verurteilen ist. Im Übrigen erweist sich die Berufung als unbegründet und ist deshalb zurückzuweisen. Soweit die Klägerin Unterhalt für den Zeitraum vom 1.11.1997 bis zum 31.5.2002 geltend macht, ist ihr Unterhaltsanspruch verwirkt; im Übrigen ist er - soweit nicht vom Beklagten anerkannt - der Höhe nach unbegründet.

Die unter Betreuung stehende Klägerin ist bedürftig und hat deshalb gegen den Beklagten, ihren Sohn, im Grundsatz einen Anspruch auf Unterhalt gem. §§ 1601, 1602 Abs. 1 BGB. Es steht in der Berufungsinstanz zwischen den Parteien außer Streit, dass die jetzt 95 Jahre alte Klägerin seit 1.3.1997 in einem Pflegeheim lebt, weil sie wegen einer ausgeprägten senilen Demenz außer Stande ist, ein eigenständiges Leben in einer eigenen Wohnung zu führen. Ebenso unstreitig hat der Beklagte selbst die Unterbringung der Klägerin in ihrem jetzigen Pflegeheim veranlasst. Die monatlichen Heimkosten betragen im Jahr 2004 einschließlich Taschengeld 1.736,83 EUR. Die von der Klägerin bezogene Witwenrente hat im Jahr 2003 1.021,95 EUR und im Jahr 2004 1.012,47 EUR betragen. Weitere Einkünfte erzielt die Klägerin nicht, so dass sich aus der Differenz zwischen den Heimkosten und ihren Rentenbezügen der Bedarf der Klägerin ergibt. Ferner unstreitig zahlt der Beklagte seit Juni 2002 unter Vorbehalt einen Betrag von monatlich 692,52 EUR (Monate mit 30 Tagen) bzw. 746,23 EUR (Monate mit 31 Tagen).

Der der Klägerin zustehende Unterhaltsanspruch ist teilweise verwirkt. Eine Verwirkung kommt nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Insofern gilt für Unterhaltsrückstände, die teilweise Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind, nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordene Ansprüche (BGH v. 23.10.2002 - XII ZR 266/99, MDR 2003...

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