Leitsatz (amtlich)

Die zur Umsetzung von Art. 16 III der Richtlinie 96/67/EG (Bodenabfertigungsrichtlinie) erlassene Vorschrift des § 9 III BADV (Bodenabfertigungsdienst-Verordnung) ist Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB. Danach können Zugangsentgelte für Bodenabfertiger, die nicht nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien festgelegt sind, nicht wirksam vereinbart werden.

Art. 16 III der Richtlinie 96/67/EG ist durch § 9 III BADV nur unvollkommen in deutsches Recht umgesetzt worden. Die Vorschrift transformiert lediglich das Verbot nicht richtlinienkonform festgelegter Zugangsentgelte in deutsches Recht, schafft aber nicht die rechtlichen Voraussetzungen für die Erhebung zulässiger Zugangsentgelte. Hierzu wäre eine - nach sachgerechten, objektiven, transparenten und nichtdiskriminierenden Kriterien vorzunehmende - Festlegung der erlaubten Zugangsentgelte durch innerstaatliche Rechtsetzung erforderlich gewesen. Die zur vollständigen Umsetzung der Richtlinie erforderliche gesetzliche Festlegung der zulässigen Zugangsentgelte kann nicht durch richterliche Entscheidung im Einzelfall ersetzt werden. Mangels gesetzlicher Festlegung der erlaubten Zugangsentgelte für Bodenabfertiger können solche in Deutschland gegenwärtig weder erhoben noch wirksam vereinbart werden.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 18.12.2008; Aktenzeichen 14 O 360/08)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.07.2011; Aktenzeichen III ZR 200/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.12.2008 verkündete Urteil der Zivilkammer 14 des LG Berlin - 14 O 360/08 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Streithilfe tragen die Streithelfer selbst. Im Übrigen hat die Klägerin die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, die die B.Verkehrsflughäfen betreibt, verlangt aus abgetretenem Recht ihrer Tochtergesellschaft, der G.G.B.GmbH (G.), Erstattung von Nutzungsentgelten, die die Zedentin der Beklagten in Rechnung gestellt hat (Anlage K 8), nachdem sie ihr zuvor von der Klägerin in Rechnung gestellt worden waren.

Die Klägerin und die G.schlossen am 22.4.2005 zwei Verträge über luft- und landseitige Bodenabfertigungsdienste (Anlage K 1 mit Nachtrag Anlage K 2 sowie Anlage K 3).

Die Beklagte, eine Luftverkehrsgesellschaft, und die G.schlossen am 27.11.2006 unter Verwendung eines Mustervertrags der International Air Transport Association (IATA) einen Vertrag für die Bodenabfertigung (IATA S.G.Handlung Agreement, Anlage K 6, Übersetzung Anlage K 7). Am 28.3.2007 und 29.10.2007 trafen die Beklagte und die G.zwei Ergänzungsvereinbarungen (Sideletters, ebenfalls Anlage K 6 und K 7), durch die die Flüge zweier Kooperationspartner der Beklagten in den Abfertigungsvertrag einbezogen wurden.

Der Mustervertrag der I. besteht aus einem Hauptvertrag (Main Agreement) und zwei Annexen A und B, in denen der Umfang der individuell vereinbarten Dienstleistungen und die dafür vereinbarten Vergütungen niedergelegt sind. In dem von den Vertragsparteien unterschriebenen Annex B heißt es in der Präambel:

Dieser Anhang B wurde erstellt in Übereinstimmung mit den Bestimmungen der vereinfachten Vorgehensweise, wonach die LVG und die Abfertigungsgesellschaft übereinkommen, dass die Bestimmungen des Hauptvertrags und des Anhangs A des SBVA vom Januar 2004, wie sie von der International Air Transport Association veröffentlicht wurden, so gelten sollen, als wären sie in dem vorliegenden Dokument vollständig aufgeführt. Mit der Unterzeichnung dieses Anhangs B bekräftigen die Vertragsparteien ihre Kenntnis des vorgenannten Hauptvertrags sowie des Anhangs A.

Ziff. 6.2 des Hauptvertrags (Main Agreement) lautet:

Die in Anhang/den Anhängen B festgelegten Gebühren schließen folgende Kosten nicht ein:

  • Gebühren oder Steuern, die ggü. der SVG oder der Abfertigungsgesellschaft im Zusammenhang mit den in diesem Vertrag festgelegten, von der Abfertigungsgesellschaft zu erbringenden Dienstleistungen oder im Zusammenhang mit den Flügen der LVG vom Flughafen, den Zoll- oder anderen Behörden erhoben oder auferlegt werden.
  • Kosten, die im Zusammenhang mit Zwischenstopp- und Transferfluggästen und mit der Abfertigung von Passagieren bei unterbrochenen, verspäteten oder gestrichenen Flügen anfallen.
  • Derartige Gebühren, Steuern oder sonstige Kosten wie oben angegeben sind letztlich von der LVG zu übernehmen.

Die Klägerin hat mit der Klage zunächst Nutzungsentgelte für die Zeit vom Januar 2007 bis April 2008 i.H.v. insgesamt 2.587.034,11 EUR geltend gemacht.

Das LG hat die Klage mit Urteil vom 18.12.2008 abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil und im Tatbestandsberichtigungsbeschluss vom 18.2.2009 wird Be...

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