Leitsatz (amtlich)

1. Eine fristlose Kündigung der Mineralölgesellschaft gegenüber einem Tankstellenpächter ist unwirksam, wenn sie mit einem Negativsaldo des Agenturkontos begründet wird, das nur daraus resultiert, dass die Mineralölunternehmen das Konto auch mit Umsätzen belastet, die der Pächter aufgrund von Stationskrediten (noch) nicht vereinnahmt hat. Eine Vereinbarung, wonach der Pächter sämtliche Umsätze, die nicht mit zugelassenen Zahlungsmitteln erzielt werden, dem Mineralunternehmen sofort zu vergüten hat, benachteiligt den Pächter unangemessen, auch wenn ihm die Gewährung von Stationskrediten zugleich untersagt wird. Das ergibt sich aus der gerichtsbekannten Praxis der Mineralunternehmen, die Vergabe von Stationskrediten nicht nur zu billigen, sondern zu fördern (Umsetzung der Rechtsprechung des BGH vom 8.11.2005 zu KZR 18/04, BGHReport 2006, 410).

2. Bei der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruches des Tankstellenpächters aufgrund von Kassendaten über die Kartenkunden ist der Stammkundenanteil an dem Gesamtumsatz anhand des Stammkundenanteils unter den Kartenkunden zu schätzen. Stammkunden sind alle Kunden, die mindestens vier mal getankt haben sowie alle Stationskreditkunden. Abzuziehen ist der Durchschnittswert des Anteils der tankfremden Geschäfte. Kartenwechsler sind nicht zu berücksichtigen, weil keinerlei nachvollziehbare Schätzgrundlagen für ihren Anteil an den Kunden vorliegen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 30.03.2005; Aktenzeichen 101 O 20/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 17.12.2008; Aktenzeichen VIII ZR 159/07)

 

Tenor

Auf die Berufungen der Parteien wird unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Übrigen das Urteil des LG Berlin vom 30.3.2005 - 101 O 20/04 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 21.000 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 27.2.2004 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Widerklage wird abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 5 % und die Beklagte 95 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien bleibt nachgelassen, die gegen sie gerichtete Vollstreckung der anderen Partei durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils aus dem Urteil gegen sie vollstreckbaren Betrages abzuwenden, sofern nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. jeweils 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten mit ihren jeweiligen Berufungen um die Rechtsfolgen aus einem beendeten Tankstellenpachtvertrag.

Wegen des Sachverhalts nimmt der Senat zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug.

Nach den Verträgen der Parteien war es dem Kläger untersagt, Treibstoffe auf Stationskredit zu verkaufen - die Beklagte gestattete neben dem Barverkauf lediglich die Zahlung durch EC-Karte und bestimmte Kreditkarten sowie durch die von der Beklagten ausgegebenen Tankkarten. Ferner enthalten beide vorliegenden Tankstellenpachtverträge zwischen den Parteien in unterschiedlicher Formulierung die Verpflichtung des Klägers, die Preise für den veräußerten Treibstoff abzgl. der Verkäufe auf genehmigte Karten täglich auf das Agenturkonto einzuzahlen, und zwar unabhängig davon, ob er die Summen bereits eingenommen oder kreditiert hatte.

Der Kläger hat über die Jahre ganz erhebliche Summen monatlich an Stationskunden kreditiert, der Anteil bewegte sich zwischen EUR 80.000 und EUR 40.000,00, zum Schluss im Mai 2003 knapp unter EUR 10.000,00.

Da die Beklagte unabhängig von dem Eingang der Bezahlung dieser Kreditkunden bei dem Kläger das Agenturkonto täglich mit den erfolgten Kraftstoffverkäufen belastete, kam es über Jahre hinweg zu teils erheblichen Unterdeckungen des Agenturkontos. Aufgrund derer mahnte die Beklagte den Kläger in dem letzten Jahr vor der fristlosen Kündigung fortwährend ab und forderte ihn mehrfach unter der Androhung von einer fristlosen Kündigung auf, das Konto auszugleichen.

Erstmals forderte die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 23.4.2003 auf, keine Treibstoffe mehr zu kreditieren. Als das Konto im Mai 2003 immer noch nicht ausgeglichen war und abgesehen von den rückständigen kreditierten Zahlungen auch noch neue Kreditierungen, wenn auch in einem massiv reduzierten Umfang von unter EUR 10.000 vorgenommen worden waren, kündigte die Beklagte unter Berufung auf die Unterdeckung des Kontos fristlos.

In diesem Rechtsstreit beruft sie sich als Kündigungsgrund in der Hauptsache auf die Weiterführung der untersagten Kreditierung.

Der Kläger hat mit seiner Klage zunächst Teilbeträge von entgangenem Gewinn und einem Handelsvertreterausgleichsanspruch geltend gemacht und die Klage sodann noch auf Erteilung einer Abrechnung ausgeweitet. Die ihm von der Beklagten erteilte Endabrechnung des Pachtvertrages hat er im Wesentlichen akzeptiert und lediglich einige Positionen angegriffen beziehungsweise zwei weitere Gegenforderun...

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