Leitsatz (amtlich)

Schließen Parteien einen Mietvertrag über genau bezeichnete Räume und vereinbaren zugleich, dass der Mieter verpflichtet sein soll, nach Fertigstellung neuer Flächen in einem neuen Gebäude umzuziehen und wird die Größe dieser - ansonsten nicht näher bezeichneten - neuen Fläche mit ca. 400 bis 500 qm angegeben, wahrt der Mietvertrag - jedenfalls dann, wenn die Parteien über die neuen Mietflächen keinen neuen Mietvertrag schließen wollten - nicht die Form des § 550 Satz 1 BGB n.F.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 30.01.2006; Aktenzeichen 12 O 192/05)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin und die teilweise klageerweiternde Anschlussberufung der Beklagten wird das am 30.1.2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des LG Berlin wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Mietverhältnis über die Gewerberäume im B.C. im Gebäude ..., 2. OG, ..., Gesamtfläche 350,30 qm nebst 8 offenen Pkw-Stellplätzen auf dem Grundstück ... durch die Kündigung der Klägerin vom 30.12.2004 zum 30.6.2005 beendet worden ist.

2. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte 69.469,24 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.801,96 EUR seit dem 4.2.2005, 4.3.2005, 5.4.2005, 5.5.2005, und 4.6.2005, sowie aus 23.478,64 EUR seit dem 14.2.2005 und aus 23.280,70 EUR seit dem 5.7.2005 und aus weiteren 3.880,20 EUR seit dem 12.6.2006 zu zahlen.

Im Übrigen werden die Klage und die Widerklage abgewiesen.

Im Übrigen werden die Berufung und die Anschlussberufung zurückgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 29 % und die Beklagte zu 71 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu 27 % und die Beklagte zu 73 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten richten sich gegen das am 30.1.2006 verkündete und mit Beschluss vom 6.3.2006 berichtigte Urteil der Zivilkammer 12 des LG Berlin, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor:

Die mit Schreiben vom 1.9.2004 erklärte Kündigung zum 31.12.2004 sei wirksam.

Ein wichtiger Grund gem. § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB habe vorgelegen, da die Parteien den Umzugstermin 31.12.2004 als fixes Datum vereinbart hätten und die Beklagte den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht rechtzeitig gewährt hätte, § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB. Die vereinbarten Räumlichkeiten seien der Klägerin vollständig vorenthalten worden. Eine Fristsetzung gem. § 543 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BGB sei entbehrlich gewesen, da die Errichtung des Neubaus zu spät begonnen worden sei. Die Räume seien weder zum 31.12.2004 noch zum 1.3.2005 fertig gestellt gewesen. Die behördliche Abnahme sei erst am 13.4.2005 erfolgt. Das LG habe diesen Vortrag rechtsfehlerhaft präkludiert.

Jedenfalls sei aber das Mietverhältnis aufgrund der von der Klägerin mit Schreiben vom 30.12.2004 erklärten fristlosen Kündigung beendet worden.

Aufgrund der außerordentlichen Steigerung der Nebenkosten bestehe ein wichtiger Kündigungsgrund nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Beklagte habe ihre Aufklärungspflicht bezüglich der "gegriffenen" Nebenkostenvorauszahlungen schuldhaft verletzt. Entgegen der Auffassung des LG könne das Bestehen eines Schadensersatzanspruches nicht zum Nachteil des Geschädigten herangezogen und ihm ein Recht zur außerordentlichen Kündigung verwehrt werden.

Aufgrund der erfolgten Nebenkostenabrechnung für die angemieteten Räumlichkeiten habe die Klägerin davon ausgehen müssen, dass auch für den Neubau Nebenkosten anfallen, die weit über das dem Vertrag zugrunde gelegte Maß hinausgehen.

Jedenfalls aber sei das Mietverhältnis aufgrund der fristlosen Kündigung vom 3.2.2005 beendet worden.

Außerdem habe die Klägerin den Mietvertrag wirksam mit Schreiben vom 30.12.2004 angefochten.

Als Anfechtungsgrund liege eine arglistige Täuschung gem. § 123 Abs. 1 BGB vor. Die Anfechtungsfrist sei gewahrt, denn die Täuschung habe sie erst mit Zusendung der Nebenkostenabrechnung vom 6.12.2004 erkannt.

Neben der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung komme auch eine Anfechtung wegen Irrtums gem. § 119 BGB in Betracht. Sie, die Klägerin, habe sich über eine Eigenschaft der Mietsache, nämlich die Höhe der tatsächlich anfallenden Betriebskosten geirrt.

Darüber hinaus sei die Klägerin wirksam vom Mietvertrag zurückgetreten.

Selbst wenn das Mietverhältnis nicht vorzeitig beendet worden sei, so könne der Mietzins für die neuen Räumlichkeiten doch frühestens ab 1.5.2005 geltend gemacht werden. Im Übrigen sei kein Mietvertrag über die neuen Räume zustande gekommen.

Die rechtlichen Ausführungen zu der Konstellation, dass die Parteien zwei Verträge, nämlich einen Mietvertrag und einen Mietvorvertrag, geschlossen haben sollten,...

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