Leitsatz (amtlich)

1. Besteht Streit über die Wirksamkeit der Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers, kann durch einstweilige Verfügung ein Tätigkeitsverbot und ein Verbot der Ausübung der Organtätigkeit ausgesprochen werden, wenn glaubhaft gemacht ist, dass wichtige Gründe für eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers vorlagen und die Abberufung wirksam beschlossen ist (Anschluss an BGHZ 86, 177,183; OLG Karlsruhe NJW-RR 1993, 1505).

2. Parteien des Verfügungsverfahrens sind grundsätzlich der Abberufene und die Gesellschaft, vertreten durch die gem. § 46 Nr. 8 GmbH bestimmten Vertreter. Ob - insbesondere bei Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft - auch der abberufende Gesellschafter einen Verfügungsantrag stellen kann, bleibt offen.

3. Eine nicht fristgemäße Vorlage von Jahresabschlüssen (§ 42 I, II GmbH) und die ohne Beteiligung der Gesellschafterversammlung (§ 51a II 2 GmbH) ausgesprochene Weigerung, einem Gesellschafter Einsicht in die Bücher zu gestatten, sind wichtige Gründe für eine sofortige Abberufung des Geschäftsführers.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 04.05.2011; Aktenzeichen 100 O 19/11)

 

Tenor

Auf die Berufung der Verfügungsklägerin zu 1) wird das am 4.5.2011 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 100 des LG Berlin - 100 O 19/11 - geändert:

Dem Verfügungsbeklagten wird es bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Wirksamkeit seiner sofortigen Abberufung als Geschäftsführer der P.O. GmbH - mit Sitz in Berlin, eingetragen im Handelsregister des AG Charlottenburg unter HRB 104474 B - durch Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung vom 7.2.2011 untersagt, die Geschäfte der P.O. GmbH zu führen, insbesondere die Gesellschaft im Rechtsverkehr gegenüber Dritten zu vertreten.

Dem Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht.

Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin zu 1) hat der Verfügungsbeklagte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Verfügungsklägerin zu 2) trägt diese selbst. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Verfügungsbeklagten tragen zur Hälfte dieser selbst und die Verfügungsklägerin zu 2).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Verfügungsbeklagte ist der eingetragene Geschäftsführer der Verfügungsklägerin zu 1). Er wurde auf der Gesellschafterversammlung vom 7.2.2011 mit den Stimmen der Verfügungsklägerin zu 2), die 90 % der Geschäftsanteile der Verfügungsklägerin zu 1) hält, mit sofortiger Wirkung abberufen. Mit den Stimmen der Verfügungsklägerin zu 2) wurde u.a. ferner beschlossen, dass als neue Geschäftsführer die im Rubrum genannten Herren L. und M. bestellt und gegen den abberufenen Geschäftsführer einstweilige gerichtliche Maßnahmen auf Unterlassung weiterer Geschäftsführertätigkeit ergriffen werden. Die weitere Gesellschafterin, die 10 % der Geschäftsanteile der Verfügungsklägerin zu 1) hält und durch den Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer vertreten wird, stimmte gegen diese Beschlüsse. Die Beschlüsse wurden nicht festgestellt und nicht zur Eintragung angemeldet. Ein Antrag der Verfügungsklägerin zu 1) auf Bestellung eines Notgeschäftsführers wurde vom Registergericht zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerinnen behaupten, das Vertrauensverhältnis zwischen der Mehrheitsgesellschafterin und dem Geschäftsführer sei auf Grund zahlreicher schwerwiegender Pflichtverletzungen und Vertrauensbrüche unheilbar zerstört. Sie werfen dem Verfügungsbeklagten insbesondere vor, dass er sie jahrelang in dem Glauben gelassen habe, ein im August 2008 beurkundetes shareholder agreement, das wesentliche Änderungen des Gesellschaftsvertrags, darunter die Beseitigung des generellen Einstimmigkeitsprinzips bei der Beschlussfassung, vorsah, genehmigt zu haben, obwohl dies bis heute nicht geschehen sei. Die Verfügungsklägerinnen behaupten ferner, der Verfügungsbeklagte habe bis zu seiner Abberufung den Jahresabschluss 2009 nicht vorgelegt, er habe der von ihm vertretenen Minderheitsgesellschafterin überhöhte Vergütungen und sich selbst überhöhte Reisekosten gewährt, er habe Aufträge an ihm nahestehende Firmen zu nicht marktgerechten Preisen vergeben, sich nicht an eine mit der Mehrheitsgesellschafterin getroffene Vereinbarung über die vorherige Zustimmung zur Verwendung der zur Verfügung gestellten Kreditmittel gehalten und den Abschluss dieser Vereinbarung sogar wahrheitswidrig bestritten; ferner habe er der Mehrheitsgesellschafterin vor seiner Abberufung mehrfach die begehrte Einsicht in Geschäftsunterlagen verwehrt.

Der Verfügungsbeklagte bestreitet jegliche Pflichtverletzung. Er behauptet, stets zum Wohle der Gesellschaft und in vollem Einvernehmen mit der Mehrheitsgesellschafterin oder zumindest mit dem hinter ihr stehenden Konzernherrn gehandelt zu haben; bei den jetzt erhobenen Vorwürfen handle es sich um vorgeschobene Gründe; ...

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