Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur "Günstigerprüfung" bei der Anwendung verschiedener Rechtsordnungen im Abstammungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Liegen die Voraussetzungen eines qualifizierten Vaterschaftsanerkenntnisses nach § 1599 Abs. 2 BGB vor, gebührt im Abstammungsverfahren dem deutschen Recht der Vorrang vor einer ausländischen Rechtsordnung, wenn jenes ein Gerichtsverfahren für die Feststellung des wahren Vaters erfordert.

 

Normenkette

EGBGB Art. 19 Abs. 1; BGB § 1599 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Urteil vom 01.07.2009; Aktenzeichen 23a F 1613/09)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.11.2011; Aktenzeichen XII ZR 78/11)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 1.7.2009 verkündete Urteil des AG Pankow/Weißensee wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des am 12.7.2004 vom Beklagten abgegebenen Vaterschaftsanerkenntnisses für das am ...5.2... geborene Kind I.K.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Änderungen oder Ergänzungen sind nicht erfolgt.

Das AG hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der Beklagte wirksam die Vaterschaft für das Kind I.K., geb. am ...5.2..., anerkannt hat.

Mit der Berufung beantragt der Beklagte, unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das Gericht hat dem Beklagten mit Beschluss vom 21.9.2010 nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist gewährt.

Die Akte des AG Pankow/Weißensee - 23a F 5592/08 - ist beigezogen worden.

B. Im vorliegenden Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG das bis Ende August 2009 geltende Verfahrensrecht anzuwenden, weil das Verfahren vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden ist.

Die bei einem Auslandsbezug - hier die polnische Staatsangehörigkeit der Klägerin und des betroffenen Kindes I. - in jeder Lage des Verfahrens zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Sie folgt für das im März 2009 eingeleitete Verfahren, welches die Feststellung der Wirksamkeit einer Anerkennung der Vaterschaft zum Gegenstand hat (Kindschaftssache gem. § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO), aus § 640a Abs. 2 ZPO. Danach sind die deutschen Gerichte für Kindschaftssachen zuständig, wenn eine der Parteien Deutscher ist oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Beide Voraussetzungen liegen hier vor. Die Parteien haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, zudem hat der Beklagte die deutsche Staatsangehörigkeit.

Die Berufung ist nach Wiedereinsetzung des Beklagten in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist (§ 233 ZPO) zulässig. Das Rechtsmittel hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das AG hat der Klage zu Recht stattgegeben und festgestellt, dass der Beklagte die Vaterschaft für das Kind I.K., geboren am ...5.2... wirksam anerkannt hat.

I. Zutreffend hat das AG die Klage der Mutter auf Feststellung der Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses vom 12.7.2004 für zulässig erachtet. Nach § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist es statthaft, auf Feststellung der Wirksamkeit einer Vaterschaftsanerkennung zu klagen. Die Klägerin ist als Mutter des betroffenen Kindes zur Erhebung der Klage befugt (§ 1600e BGB a.F.). Auch sonst bestehen keine Bedenken gegen die erhobene Feststellungsklage. Denn zwischen den Parteien besteht Streit über die Wirksamkeit der Anerkennung. Auf ein Verfahren nach dem Personenstandsgesetz (PStG) braucht sich die Klägerin nicht verweisen zu lassen. Die Einleitung eines solchen Verfahrens hätte im vorliegenden Fall zwar nahe gelegen, nachdem der Standesbeamte der Stadt Arnsberg am 31.5.2006 den Antrag der Parteien auf Eintragung des Beklagten als Vater des Kindes Igor in das Geburtenbuch im Hinblick auf das polnische Recht abgelehnt hat. Hiergegen hätten die Parteien oder die Klägerin allein mit einem Antrag nach § 49 Abs. 1 PStG auf gerichtliche Anweisung des Standesamts durch das Gericht vorgehen können. Als Personenstandsache ist das Verfahren nach § 49 Abs. 1 PStG gegenüber dem Statusverfahren nach §§ 640 ff. ZPO aber nicht vorrangig. Im Gegenteil, das Urteil in einer Abstammungssache wirkt gem. § 640h ZPO für und gegen alle, sofern es bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig wird, und bindet auch die Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Baumbach/Hartmann, ZPO Ergänzungsband zur 67. Aufl., § 640h Rz. 4).

II. Zu Recht hat das AG festgestellt, dass das am 12.7.2004 vom Beklagten abgegebene Anerkenntnis der Vaterschaft wirksam ist.

Da die Klägerin und das Kind die polnische Staatsangehörigkeit besitzen, ist es notwendig, die für die Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses maßgebliche Rechtsordnung zu bestimmen (Art. 3 EGBGB). Nach der die Abstammung eines Kindes regelnden Kollisionsnorm des Art. 19 Abs. 1 ...

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