Leitsatz (amtlich)

Bei einem kongruenten Deckungsgeschäft, bei dem der Schuldner dem Gläubiger nur das gewährt, worauf dieser einen Anspruch hatte, sind erhöhte Anforderungen an die Darlegung und den Beweis der Benachteiligungsabsicht zu stellen. Diese Anforderungen sind um so höher anzusetzen, je länger diese Zahlungen zurückliegen, je größer der zeitliche Abstand zur Stellung des Insolvenzantrags liegt.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 26.05.2005; Aktenzeichen 9 O 637/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen IX ZR 93/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.5.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin - 9 O 637/04 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.

 

Gründe

A. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz einschließlich der dort von den Parteien gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird auf das am 26.5.2005 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin - 9 O 637/04 - Bezug genommen.

Gegen das der Beklagten am 9.6.2005 zugestellte Urteil hat sie am 8.7.2005 Berufung eingelegt und diese am 7.9.2005 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 9.9.2005 verlängert worden war. Sie trägt vor, das LG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass alle Voraussetzungen des Anfechtungstatbestandes im Zeitpunkt jeder einzelnen angegriffenen Rechtshandlung vorliegen müssen und vom Kläger darzulegen und zu beweisen sind. Der Kläger habe zur Frage des wesentlichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten und zur Höhe der dem Schuldner zur Verfügung stehenden Zahlungsmittel nicht hinreichend vorgetragen und das LG habe darüber keine Feststellungen getroffen. Zwischen dem Schuldner und der Beklagten habe ein Stillhalteabkommen bestanden, durch das eine etwaige, mit Fälligstellung des Kündigungssaldos eingetretenen Zahlungsunfähigkeit jedenfalls nachträglich weggefallen sei. Mit Abschluss des Stillhalteabkommens habe die Beklagte nur noch die Zahlung der vereinbarten monatlichen Raten von 3.000 EUR sowie der diesbezüglich später aufgetretenen Rückstände verlangt. Verbindlichkeiten anderer Gläubiger, die der Kläger erstmals mit Schriftsatz vom 2.2.2006 aufgelistet habe, würden mit Nichtwissen bestritten. Außerdem seien diese Verbindlichkeiten nach dem Vortrag des Klägers zum großen Teil erst nach dem 2.5.1997 fällig geworden. Vor allem fehle es an einer Gegenüberstellung von fälligen Verbindlichkeiten und liquidem Vermögen, sodass eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht dargetan sei.

Der Schuldner sei in der Lage gewesen, im Jahre 1998 das ... in R. für einen Kaufpreis von ca. 2,2 Mio. DM zu erwerben, dessen Eigentümer er seit dem 20.10.2000 sei. Er habe während des gesamten Anfechtungszeitraums Einkünfte in nicht unbeträchtlicher Höhe aus seiner Tätigkeit als Makler und aus dem Betrieb seines Fitnessstudios erzielt. In seinem Schreiben vom 30.3.1998 habe der Schuldner in detaillierter Weise dargestellt, dass er im Geschäftsjahr 1998 neben beträchtlichen Provisionszahlungen aus der Übernahme des Fitnessstudios einen monatlichen Überschuss von ca. 5.000 DM erwartet habe.

Die Beklagte habe eine etwaige Gläubigerbenachteiligung nicht gebilligt. Sämtliche Zahlungen seien in kongruenter Weise erfolgt. Sie, die Beklagte, sei weder im Besitz eines gegen das Schuldnervermögen gerichteten Titels gewesen noch habe sie die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners angedroht. Bei der Androhung der Verwertung von Drittsicherheiten gehe es nicht in gleichem Maße um die Vorabbefriedigung vor anderen Gläubigern. Der Gläubiger sei vielmehr in Höhe des Verwertungserlöses vor dem Ausfall seiner Forderung geschützt und stehe gerade nicht im Wettlauf mit anderen Insolvenzgläubigern. Die Verwertung von Sicherungsgut sei jederzeit kongruent und bereits mangels Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar. Dies gelte besonders dann, wenn das Sicherungsgut im Eigentum eines Dritten stehe und somit überhaupt keine Beziehung zum Schuldnervermögen aufweise. Es könne nicht Absicht der Insolvenzordnung sein, alle besicherten Gläubiger in der Krise des Schuldners zur sofortigen Verwertung von Sicherheiten anzuhalten. Die Beklagte habe dem Schuldner nicht mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gedroht, sondern allein die Verwertung von Drittsicherheiten angedroht, deren Verwertung stets kongruent gewesen wäre.

Die Beklagte habe weder Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit noch von einem Benachteiligungswillen des Schuldners gehabt, dessen Feststellung für die Zeit von dem 1.1.1999 erforderlich sei. Für die Zeit nach dem 1.1.1999 fehle es an einem Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und folglich auch an einer Kenntnis der Beklagten ...

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