Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 13.12.1999; Aktenzeichen 12 O 558/99)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13. Dezember 1999 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer des Beklagten übersteigt nicht 60.000,00 DM.

 

Gründe

Die Berufung ist unbegründet.

Der Beklagte wendet sich gegen die entsprechende Anwendung des § 539 BGB. Das Landgericht lasse schon nicht erkennen, ob es von dem Fehlen von zur Minderung berechtigender Mängel ausgehen wolle oder von einem Verzicht auf die Gewährleistungsrecht. Einen Verzicht auf ein Minderungsrecht könne es nicht geben, da die Minderung von Gesetzes wegen eintrete. Allenfalls könne es sich um eine Einwendung handeln. Zu Unrecht gehe das Landgericht dann davon aus, dass die Parteien den Sollzustand verbindlich neu definiert hätten. Der Erfüllungsanspruch sei von einem Verlust des Gewährleistungsrechts unberührt. Für die entsprechende Anwendung des § 539 BGB sei neben den ausschließlichen Regelungen der §§ 537 BGB, § 545 BGB kein Raum; ein Erklärungstatbestand eines – übereinstimmende Erklärungen beider Parteien voraussetzenden – Verzichts auf die rechtsvernichtende Einwendung der Minderung liege nicht vor. Allenfalls könne das Gewährleistungsrecht nach den Grundsätzen über die unzulässige Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen werden. Davon könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.

Dieses Vorbringen rechtfertigt im Ergebnis eine Abänderung des landgerichtlichen Urteils nicht.

Allerdings ist die Urteilsbegründung des Landgerichts tatsächlich missverständlich. So weit es davon ausgeht, dass die Sollbeschaffenheit der Mietsache durch dauerhaften Verzicht auf eine Mietminderung des Beklagten „neu definiert” worden sei, läuft das darauf hinaus, dass der Beklagte auch die Erfüllung durch Mängelbeseitigung nicht mehr hätte verlangen können. Das trifft nicht zu. Vielmehr wird im allgemeinen davon ausgegangen, dass der Erfüllungsanspruch vom Verlust der Gewährleistungsrechte gerade unberührt bleibt. Nur ausnahmsweise soll der Anspruch auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes und ein etwa daraus herzuleitendes Zurückbehaltungsrecht ausgeschlossen sein (vgl. BGH in NJW 1997, 2674; Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, III B. Rn. 1401). Eine andere Frage ist, ob durch die Hinnahme eines bekannten Mangels bei Vertragsbeginn der vorgefundene Zustand als vertragsgemäß gelten kann (vgl. dazu Bub/Treier/Kraemer, a.a.O., Rn. 1401; Erman-Jendrek, BGB, § 539, Rn. 1).

Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ist die Minderung in entsprechender Anwendung des § 539 BGB ausgeschlossen, wenn der Mieter einen Mangel über längere Zeit hingenommen und den Mietzins vorbehaltlos ungemindert weiter gezahlt hat (vgl. BGH in NJW 1997, a.a.O.; in WuM 1992, 313, 315 = NJW-RR 1992, 267, 268; NJW 1970, 1740, 1742; ZMR 1968, 255, 256; ZMR 1961, 359). Allein die wiederholte Mängelrüge reicht nicht aus, wenn der Mieter dennoch den Mietzins ungemindert weiter zahlt (BGH in ZMR 1968, a.a.O.), es sei denn, die Zahlung erfolgt im berechtigten Vertrauen auf eine alsbaldige Mängelbeseitigung (BGH in NJW 1974, a.a.O.). Selbst dann kann der Gewährleistungsausschluss aber dann dennoch gelten, wenn der Mieter wiederum trotz nicht ausgeführter Mängelbeseitigung den Mietzins ungemindert weiter zahlt (BGH in NJW 1997, a.a.O.). Der Ausschluss der Minderung gilt für die Vergangenheit und die Zukunft (vgl. BGH in NJW 1997, a.a.O., WuM 1992, a.a.O.). Dem folgt die übrige Rechtsprechung und ganz überwiegend das Schrifttum (vgl. z.B. OLG Düsseldorf in ZMR 1987, 263 u. in WuM 1995, 435, 436; Bub/Treier/Kraemer, III B. Rn. 1413; MK-Voelskow, BGB, § 539, Rn. 5; Erman-Jendrek, a.a.O., Rn. 6; Soergel-Heintzmann, BGB, § 539, Rn. 11 f.; Sternel, Mietrecht, II Rn. 671).

Hergeleitet wurde die entsprechende Anwendung des § 539 BGB aus dem Rechtsgedanken der Vorschrift (s. BGH in ZMR 1961, a.a.O.), der überwiegend darin gesehen wird, dass der Mieter durch die vorbehaltlose Annahme der Mietsache den Eindruck erwecke, dass die Mietsache dennoch den Mietzins wert sei und er auf die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten verzichte. Teilweise wird daher unmittelbar auf den „Verzicht” abgestellt (s. z.B. Sternel, a.a.O.), oder aber – überwiegend – von einem widersprüchlichen Verhalten auf Grund des anzunehmenden „Verzichts”, das sich der Mieter entgegen halten lassen müsse, ausgegangen (s. Bub/Treier/Kraemer, a.a.O., Rn. 1400; MK-Voelskow, a.a.O., Rn. 2; Soergel-Heintzmann, a.a.O., Rn. 1; das klingt auch BGH in NJW 1997, a.a.O. an: Mieter erweckt den Eindruck, als habe er sich mit dem Mangel abgefunden). Zwischen beidem, der Verzichtsgedanke und der Gedanke des widersprüchlichen Verhaltens wird meistens nicht getrennt. Vereinzelt ist auch von Verwirkung die Rede (OLG Düsseldorf, a.a.O.) oder davon, dass mit dem Gewäh...

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