Normenkette

VStGB § 8 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 6 Nr. 3; StGB § 52 Abs. 1 Alt. 2, § 56 Abs. 1-2

 

Tenor

Der Angeklagte wird wegen Kriegsverbrechen gegen Personen in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von

einem (1) Jahr und acht (8) Monaten

verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Der Angeklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Angewendete Strafvorschriften:

§ 8 Abs. 1 Nr. 9 und Abs. 6 Nr. 3 VStGB;

§§ 52 Abs. 1, 2. Alt., 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB

 

Gründe

Gegenstand des Verfahrens ist die Begehung eines Kriegsverbrechens anlässlich der sogenannten "Schlacht um Tikrit" im Irak. Als Angehöriger der irakischen Streitkräfte hielt der Angeklagte im März 2015 die vom Körperrumpf abgetrennten Köpfe zweier gegnerischer, in der Schlacht gefallener Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer Staat" an den Haaren in die Höhe und ließ sich in dieser Pose fotografieren.

I. Persönliche Verhältnisse des Angeklagten

1. Der 28 Jahre alte Angeklagte wurde am xx in xx (Irak) geboren und ist irakischer Staatsangehöriger. Als drittes Kind in einer siebenköpfigen Geschwisterreihe wuchs er in familiär geordneten und recht wohlhabenden Verhältnissen in einem großen Haus in B. auf. Sein Vater ist leitender Angestellter in einer Bank in B.; seine Mutter ist Hausfrau.

Bis 2003 besuchte der Angeklagte in B. die Mittelschule. Aufgrund der problematischen Lage im Irak nach der Entmachtung Saddam Husseins war es dem Angeklagten nicht möglich, nach dem erfolgreichen Abschluss der Mittelschule eine weiterführende Schule zu besuchen oder eine reguläre Ausbildung zu beginnen. Vielmehr musste er verschiedene Aushilfstätigkeiten annehmen und so zum Lebensunterhalt seine Familie beitragen. 2011 wurde er von Kriminellen in B. entführt, die von seiner Familie ein Lösegeld für seine Freilassung forderten. Nach einem Tag wurde er wieder freigelassen. Deshalb und aufgrund der unsicheren Lage im Irak wollte der Angeklagte nicht mehr in B. leben und reiste sodann in den Libanon aus. Dort verbrachte er etwa ein Jahr und beantragte, in die Vereinigten Staaten von Amerika auswandern zu dürfen. Sein Vater bat ihn aber, wieder zurück nach B. zu kehren, was der Angeklagte auch tat. In B. begann er sodann eine Ausbildung zum Bankkaufmann in der Bankfiliale, die von seinem Vater geleitet wird. Diese Ausbildung hat der Angeklagte erfolgreich abgeschlossen.

Im August 2013 ehelichte der Angeklagte die 1991 geborene Ri, die ebenfalls die irakische Staatsangehörigkeit besitzt. Mit ihr wohnte er gemeinsam in dem Haus seiner Eltern in B. Der Angeklagte und seine Ehefrau orientierten sich in ihrer Lebensweise an westlichen Vorstellungen. Kinder sind aus dieser Ehe noch nicht hervorgegangen; die Ehefrau des Angeklagten erlitt im Irak eine Fehlgeburt.

Spätestens im Sommer 2014 trat der Angeklagte, der von eher schmächtiger Statur ist, freiwillig in die irakische Armee ein. Er fühlte sich hierzu verpflichtet, weil er sein Land gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" verteidigen wollte. Militärische Erfahrungen hatte er bis dahin noch nicht gesammelt. Nach kurzer militärischer Einweisung wurde er vorrangig im Gouvernement S. nördlich von B. eingesetzt. Zuletzt diente er als Offizier im Range eines Oberleutnants bei der Terrorbekämpfungseinheit der irakischen Armee und befehligte eine Kompanie mit einer Truppenstärke von etwa einhundert Mann. Nach der erfolgreichen "Schlacht um Tikrit" im März 2015, währenddessen er das hier verurteilte Kriegsverbrechen beging, erhielt der Angeklagte einen Monat Urlaub und kehrte nach B. zurück. Bei einem sich anschließendem Kampfeinsatz im H.-Gebirge an der nordöstlichen Grenze des Gouvernements S., an dem er wiederum teilnahm, löste sich seine Kompanie wegen der hohen Verluste - nur sechs Soldaten überlebten - auf. Der Angeklagte floh aus dem H.-Gebirge nach B. und kehrte nicht wieder zur Armee zurück.

Vielmehr entschloss sich der Angeklagte im Sommer 2015 aufgrund seiner Erlebnisse in der irakischen Armee und wegen der desolaten Situation im Irak zur Flucht. Gemeinsam mit seiner Ehefrau flog er von B. nach E. und fuhr sodann mit dem Bus in die Türkei. Dort lebten der Angeklagte und seine Ehefrau für zunächst drei Monate, entschieden sich dann aber aufgrund der dortigen schwierigen Verhältnisse, weiter nach Europa zu fliehen. Mit einem Boot setzten sie nach Griechenland über und erreichten schließlich am 6. Dezember 2015 die Bundesrepublik Deutschland.

Vom 7. Februar bis zum 16. August 2016 kamen der Angeklagte und seine Ehefrau in einer als temporäre Flüchtlingsunterkunft fungierenden Schulturnhalle in der P.-Straße in Be. unter. Dort und im Stadtteil nahmen beide - die Ehefrau des Angeklagten trägt in Deutschland kein Kopftuch - an verschiedenen Veranstaltungen teil, um ihre Nachbarn näher kennenzulernen, und lernten deutsch. Der Angeklagte war sehr aufgeschlossen und steht der westlichen Wertegemeinschaft positiv gegenüber. In der Flüchtlingsunterkunft war er eher unauffällig und fiel nie als aggressiv auf. Er verste...

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