Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält daran fest, dass das Wechselmodell im allgemeinen gegen den Willen eines Elternteils nicht angeordnet werden kann. Insbesondere in von starken Konflikten geprägten Elternbeziehungen entspricht es regelmäßig nicht dem Kindeswohl, durch eine gerichtliche Entscheidung ein Wechselmodell herbeizuführen.

In derartigen Konfliktbeziehungen begegnet auch eine Ausdehnung der Umgangsregelung, die einem Wechselmodell nahekommt, Bedenken.

 

Normenkette

BGB §§ 1671, 1684

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Pankow/Weißensee (Beschluss vom 27.06.2014; Aktenzeichen 25 F 8361/13)

 

Tenor

Die gegen den Beschluss des AG Pankow/Weißensee vom 27.6.2014 - 25 F 8361/13 - gerichteten Beschwerden des Vaters und des Verfahrensbeistands für das Kind werden zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Eltern hälftig zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Verfahrenswert wird festgesetzt auf 3.000 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die nicht verheirateten und gemeinsam sorgeberechtigten, aber seit August 2009 getrenntlebenden Eltern des heute dreizehnjährigen Kindes J.L.streiten zum Aufenthalt des Kindes um die Einrichtung eines Wechselmodells. Sie haben sich im Zuge dieses vom Vater mit dem Ziel einer Umgangserweiterung eingeleiteten Verfahrens auf Anregung der Mutter zunächst in einer Zwischenvereinbarung im Oktober 2013 für die Zeit bis Februar 2014 geeinigt, dass der Junge jeweils eine Woche wechselweise bei ihnen lebt. Im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens hat sich die Mutter dagegen gewendet, das Wechselmodell aufrechtzuerhalten; denn die Eltern seien völlig zerstritten, das Wechselmodell habe sich daher nicht bewährt.

Am 4.3.2014 hat das AG im Wege der einstweiligen Anordnung (GeschZ 25 F 1504/14) die weitere Durchführung des Wechselmodells bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren angeordnet. Nach einem weiteren Anhörungstermin mit den Beteiligten hat es mit Beschluss vom 27.6.2014 in diesem Verfahren den Umgang dahin geregelt, dass der Junge sich überwiegend bei der betreuenden Mutter aufhält und der Vater alle zwei Wochen berechtigt und verpflichtet ist, von Mittwoch nach der Schule bis zum nächsten Montag zur Schule Umgang zu haben; außerdem hat es weitere Regelungen ausgesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach der obergerichtlichen Rechtsprechung das Wechselmodell nicht gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden könne. Etwas anderes könne allenfalls gelten, wenn sicher festgestellt werden könne, dass das Wechselmodell dem Kindeswohl und Kindeswillen entspricht. J.habe sich zwar mehrfach für das Wechselmodell ausgesprochen. Der Kindeswille sei bei mehreren Anhörungen aber nicht konstant gewesen, denn im Februar habe er sich gegen das Wechselmodell, in der zweiten Anhörung aber wieder für die Fortsetzung des Wechselmodells ausgesprochen. Die Eltern seien zutiefst zerstritten, sie befänden sich in einem permanenten Machtkampf, in dem von beiden Seiten offensichtlich provozierende Äußerungen fielen und ein Mangel an Kompromissbereitschaft bestehe. Es sei daher im Interesse des Kindeswohls, dass für das Kind auch angesichts des nunmehr beginnenden Oberschulbesuchs ein fester Lebensmittelpunkt bestehe.

Gegen diesen Beschluss haben sowohl der Vater als auch der für das Kind bestellte Verfahrensbeistand Beschwerde eingelegt, mit der sie jeweils erreichen wollen, dass das Wechselmodell gerichtlich angeordnet wird. Das Jugendamt hat in einer Stellungnahme dieses Anliegen unterstützt und darauf hingewiesen, dass von dritter Seite (Schule, Therapeuten) positive Einschätzungen hinsichtlich der Entwicklung von J.während der Durchführung des Wechselmodells vorlägen.

Der Senat hat die Beteiligten und das Kind angehört.

II. Die Beschwerde ist gem. § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§§ 63, 64 FamFG).

In der Sache ist die Beschwerde ohne Erfolg.

Bei der Frage, ob das Wechselmodell für den Aufenthalt des Kindes durch das Familiengericht überhaupt angeordnet werden kann, ist zu unterscheiden zwischen einer sorgerechtlich gestützten Regelung (insbesondere auf der Grundlage von § 1671 BGB) und einer Regelung zum Umgang der Eltern mit dem Kind (§ 1684 BGB). Es ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob die Anordnung eines Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils überhaupt rechtlich zulässig ist und ob insbesondere § 1684 Abs. 3 BGB eine Rechtsgrundlage hierfür bilden kann, oder ob, wenn überhaupt, nur die Möglichkeit bestünde, über Maßnahmen im Rahmen des Sorgerechts ein Wechselmodell einzurichten (generell im Hinblick auf eine fehlende Rechtsgrundlage unter verfassungsrechtlicher Rückbindung ablehnend OLG Saarbrücken Beschl. v. 26.6.2014 - 6 UF 62/14 - in beck-online unter BeckRS 2014, 15824 = FamRZ 2015, 62; ferner OLG Naumburg - 3. Zivilsenat - BeckRS 2013, 14500 = FamRZ 2014, 50; OLG Brandenburg BeckRS 2013, 19331; OLG München BeckRS 2013, 20336 = FamRZ 201...

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