Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 21.08.2015; Aktenzeichen 140 F 16663/09)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird der Verfahrenswertbeschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 21.8.2015 abgeändert:

Der Verfahrenswert wird für die Ehesache auf bis zu 19.000,00 EUR festgesetzt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

 

Gründe

Der Senat entscheidet über die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin gemäß § 57 Abs. 5 Satz 2 FamGKG in Verbindung mit § 59 Abs. 1 Satz 5 FamGKG, nachdem die zuvor mit der Sache befasste Einzelrichterin diesem das Verfahren mit Beschluss vom 25.4.2016 übertragen hat. Die Beschwerde ist gemäß §§ 59 Abs. 1, 55 Abs. 3 Satz 2 FamGKG in Verbindung § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG statthaft. In der Sache hat sie in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.

Das AG hat den Verfahrenswert mit 10.800,00 EUR zu niedrig festgesetzt, indem es allein auf das von den früheren Eheleuten erzielte Einkommen abgestellt hat. Nach § 43 FamGKG ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen; für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen. Was die Einkommensverhältnisse betrifft, hat das AG auf der Grundlage des monatlichen Einkommens des Antragstellers von 2.100,00 EUR bzw. das der Antragsgegnerin von 1.500,00 EUR den Verfahrenswert zutreffend auf 10.800,00 EUR, das Dreifache des monatlichen Gesamteinkommens, festgesetzt, was von der Beschwerde auch nicht angegriffen wird. Eine Erhöhung des Einkommens wegen des mietfreien Wohnens des Antragstellers im eigenen Haus kommt nicht in Betracht. Wenn der Umstand, dass einer der (vormaligen) Ehegatten Eigentümer eines Grundstücks ist, zu einer Erhöhung des Verfahrenswertes führt, wie nachfolgend ausgeführt wird, kann dies nicht zugleich auch noch einkommenserhöhend Berücksichtigung finden. Andernfalls läge eine unzulässige Doppelverwertung vor (ebenso Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 11.2.2016 - 10 WF 71/15 - juris; a.A. KG, 18. Zivilsenat, Beschluss vom 3.11.2009 - 18 WF 90/09 - juris)

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin beanstandet aber mit Recht, dass das AG bei der Festsetzung des Verfahrenswertes das Vermögen der Beteiligten nicht berücksichtigt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in Verfahren um die Festsetzung des Werts für eine Ehescheidung bereits mehrfach entschieden, dass durch eine zu geringe Wertfestsetzung auch ein Rechtsanwalt in seinen Rechten aus Art. 12 GG betroffen sein kann, da die Festsetzung auch für seine Vergütung maßgeblich ist (BVerfG, Beschluss vom 17.10.1990 - 1 BvR 283/85 - juris). Allerdings hat bei der Festsetzung des Verfahrenswertes keine schematische Zusammenrechnung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erfolgen, wie die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin offensichtlich meinen, sondern die Gesamtverhältnisse beider Parteien bzw. hier der früheren Eheleute sind maßgeblich (Hartmann, Kostengesetze, 46. Aufl., § 48 GKG RdNr. 28).

Was die Vermögensverhältnisse der früheren Ehegatten betrifft, ist von Folgendem auszugehen:

Der Antragsteller hat zum Zeitpunkt der Einreichung des Scheidungsantrages, wie sich aus seiner Vermögensaufstellung vom 10.1.2010 ergibt, über ein Nettovermögen von 132.354,32 EUR verfügt. Dieses bestand im Wesentlichen aus dem in seinem Alleineigentum stehenden Einfamilienhaus, dessen Wert in der Vermögensaufstellung im Aktivvermögen mit 205.000,00 EUR ausgewiesen ist. Abzüglich der zum Stichtag bestehenden Belastungen in Höhe von 53.600,00 EUR und 18.295,00 EUR ergibt sich insoweit ein Wert der Immobilie von 133.105,00 EUR. Die Antragsgegnerin ihrerseits hat kein nennenswertes Vermögen.

Dass das Vermögen im Wesentlichen aus dem selbstgenutzten Einfamilienhaus besteht, führt zwar nicht dazu, dessen Wert bei der Bildung des Verfahrenswertes unberücksichtigt zu lassen. Dies würde dem Sinn und Zweck des § 43 Abs. 1 FamGKG widersprechen, welcher gerade darin liegt, sämtliche Umstände des jeweiligen Einzelfalls in den Verfahrenswert für eine Ehesache einfließen zu lassen. Insbesondere ergibt sich aus § 43 Abs. 1 FamGKG nicht, dass Vermögenswerte, welche zum Schonvermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 90 Abs. 2, Abs. 3 SGB XII gehören, unberücksichtigt zu bleiben haben (OLG Hamm, Beschluss vom 13.3.2015 - 13 WF 19/15 - juris). Denn bei der Wertfestsetzung nach § 43 Abs. 1 FamGKG ist die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der geschiedenen Ehegatten zu berücksichtigen. Die finanziellen Verhältnisse einer Familie, in deren Eigentum sich eine Wohnimmobilie befindet, sind aber in der Regel besser als diejenigen einer Familie, die nur über gemieteten Wohnraum verfügt.

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