Leitsatz (amtlich)

Wird das Urteil des LG wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels nach § 539 ZPO a.F. (jetzt § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) aufgehoben und zurückverwiesen, so sind die Kosten des Verfahrens der Berufung nicht stets niederzuschlagen, sondern nur dann, wenn die Prüfung im Einzelfall ergibt, dass ein offener, eindeutiger und schwerer Verstoß gegen das Verfahrensrecht vorliegt (Aufgabe der bisherigen Rspr., vgl.: KG, Beschl. v. 3.6.1997 - 1 W 223/97).

 

Verfahrensgang

KG Berlin (Aktenzeichen 12 U 198/01)

 

Tenor

Die Erinnerung wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt die Niederschlagung der Gerichtskosten, die mit der Kostenrechnung vom 27.3.2003 für das Berufungsverfahren im ersten Durchgang angesetzt worden sind und ihr ggü. noch i.H.v. 173,25 DM (88,85 EUR) als Entscheidungsschuldnerin und i.H.v. 1.403,37 DM (717,53 EUR) als Zweitschuldnerin neben dem Beklagten geltend gemacht werden.

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit hatte das KG mit Urt. v. 17.3.2003 das die Klage abweisende Urteil der ersten Instanz vom 22.6.2001 aufgehoben und die Sache an das LG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils heißt es hierzu, das Verfahren des ersten Rechtszuges leide wegen Verstoßes gegen die richterliche Aufklärungs- und Hinweispflicht nach §§ 139, 278 ZPO (a.F.) an einem wesentlichen Mangel. Das LG hätte - weil es die Anforderungen an die Darlegungslast abweichend von der ständigen Rechtsprechung des BGH beurteilen wollte - der Klägerin im Einzelnen konkret mitteilen müssen, welche weiteren Angaben zur Substantiierung ihres Vortrages erforderlich seien. Im weiteren Verlauf hat das LG mit Urt. v. 10.12.2003 der Klage zum größten Teil stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin zu 1/10, dem Beklagten zu 9/10 auferlegt. Die gegen diese Entscheidung eingelegte Berufung hat der Beklagte nach einem Hinweis gem. § 522 Abs. 3 ZPO zurückgenommen.

Der Kostenbeamte des KG hat mit Kostenrechnung vom 27.3.2003 gegen die Klägerin zunächst als Antragsschuldnerin gem. § 49 GKG (a.F.) eine Verfahrensgebühr nach KV 1220 und eine Urteilsgebühr nach KV 1226 i.H.v. insgesamt 1.732,50 DM angesetzt (Sollstellung der Justizkasse vom 23.5.2003 zur Ksb-Nr.: 1030406516006). Die Klägerin hat demgegenüber am 17.6.2003 beantragt, die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens wegen unrichtiger Sachbehandlung seitens des LG gem. § 16 Abs. 1 KostO (richtig: § 8 Abs. 1 S. 1 GKG a.F.) niederzuschlagen. Diesen Antrag hat die Klägerin mit Schreiben vom 14.2.2005 aufrechterhalten, nachdem die Sollstellung der Justizkasse vom 23.5.2003 zur Ksb-Nr.: 1030406516006 entsprechend der Kostenentscheidung des LG im Urt. v. 10.12.2003 i.H.v. 1.403,37 DM auf den Beklagten umgeschrieben sowie i.H.v. 155,88 DM gelöscht und die restliche Schuld von 173, 25 DM (88,85 EUR) bei der Klägerin angemahnt worden ist. Die Klägerin ist mit Schreiben der Justizkasse vom 18.4.2005 wegen des Betrages von 1.403,37 DM (717,53 EUR) neben dem Beklagten als Zweitschuldner in Anspruch genommen worden.

II. Der Antrag der Klägerin, die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens niederzuschlagen, beurteilt sich im vorliegenden Altfall gem. § 72 Nr. 1 GKG nach dem Gerichtskostengesetz in der bis zum 1.7.2004 geltenden Fassung (im Folgenden: GKG). Er ist nicht als selbständiger Antrag nach § 8 GKG, sondern, da die Kosten bereits gegen die Klägerin angesetzt sind, als Erinnerung gem. § 5 Abs. 1 S. 1 GKG gegen den Kostenansatz des KG aufzufassen (KG JurBüro 1997, 654; Hartmann, KostG, 33. Aufl., § 8 Rz. 54). Die Entscheidungszuständigkeit des Gerichts wird dadurch nicht verändert. Für die Kosten der Berufungsinstanz ist das KG sowohl im Rahmen einer Erinnerung nach § 5 Abs. 1 S. 1 GKG als auch bei einer Entscheidung nach § 8 GKG zuständig (KG JurBüro 1997, 654; Hartmann, KostG, 33. Aufl., § 8 Rz. 54). Im Verfahren der Erinnerung ist auch über den Antrag nach § 8 GKG zu entscheiden.

Die Kostenansatzerinnerung ist gem. § 5 Abs. 1 S. 1 GKG zulässig, aber nicht begründet. Die Gerichtskosten sind für das Berufungsverfahren zu erheben, auch wenn das Urteil des LG vom 22.6.2001 aufgehoben und die Sache wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels nach § 539 der ZPO in der bis zum 1.1.2002 geltenden Fassung (im Folgenden: ZPO) an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen worden ist.

Allerdings sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 GKG Gerichtskosten nicht zu erheben, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Eine "unrichtige Sachbehandlung" im Sinne dieser Vorschrift ist aber nur anzunehmen, wenn das Gericht gegen eindeutige gesetzliche Normen verstoßen, insb. einen schweren Verfahrensfehler begangen hat, der offen zutage tritt oder wenn ein offensichtliches Versehen vorliegt (BGH in st. Rspr., vgl. Senat, JurBüro 1997, 654; Hartmann, KostG, 33. Aufl., § 8 Rz. 8 und 10; Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, § 21 Rz. 10, jeweils m.w.N.; a.A.: E. Schneider, MDR 2001, 9...

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