Leitsatz (amtlich)

Der Ausschluss des Umgangs eines Elternteils mit seinem Kind kann nach § 1684 Abs. 4 BGB gerechtfertigt sein, wenn das Kind den Umgang mit dem Elternteil vehement ablehnt und anzunehmen ist, dass eine Missachtung dieses Willens das Wohl des Kindes gefährdet. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Kind das 12. Lebensjahr überschritten hat und angenommen werden kann, dass der geäußerte Wille seinen tatsächlichen Bindungen entspricht.

Der Bedeutung des Elternrechts und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann regelmäßig dadurch Rechnung getragen werden, dass die Zeit des Umgangsausschlusses zeitlich begrenzt wird. Letzteres scheidet aus, wenn schon die zeitliche Begrenzung und die in Aussicht gestellte Überprüfung des Ausschlusses eine das Kindeswohl gefährdende Belastung für das Kind darstellt. Das ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn das Kinder den Umgangsausschluss bis zur Volljährigkeit begehrt und einen Reifegrad erreicht hat, dass sein Perrsönlichkeitsrecht aus Art. 2 Satz 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG einer Missachtung dieses Willens entgegen steht.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 03.09.2012; Aktenzeichen 141 F 17887/10)

 

Tenor

1. Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 3.9.2012 wird zurückgewiesen.

2. Der Umgang des Vaters mit dem Kind A...wird bis zu dessen Volljährigkeit ausgeschlossen. Der Umgang des Vaters mit dem Kind S...wird bis zum 19.6.2015 ausgeschlossen. Der weiter gehende Antrag der Mutter wird zurückgewiesen.

3. Der Vater hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die seit 2009 getrennt lebenden Eltern streiten um das Umgangsrecht des Vaters mit dem am ...1998 geborenen gemeinsamen Sohn A.und die am ...2001 geborene gemeinsame Tochter S.

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die Sachverhaltsdarstellung des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen. Ergänzend wird ausgeführt, dass die Mutter, - nachdem sie im Wege (der vom Senat bestätigten) einstweiligen Anordnung des AGTempelhof-Kreuzberg vom 9.11.2009 (141 F 15147/09) das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder erhalten hat - mit den Kindern nach Y.in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) zurückkehrte, wo sie mit ihnen bis Anfang 2014 lebte. Ob der Vater während dieser Zeit nur in Berlin gelebt hat oder zeitweise auch in den VAE, bzw. im S., ist unklar. Eine andere als die Berliner Adresse ist dem Gericht zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden.

Die Eltern haben parallel zu dem von der Mutter in Deutschland im August 2009 eingeleiteten Sorge- und seit August 2010 vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg geführten Umgangsverfahrens ihren Streit in Y.weiter verfolgt. Der Vater erwirkte unter dem 9.11.2010 einen Beschluss des Scharia-Gerichts in Y., wonach er berechtigt sein sollte, beide Kinder samstags von 16 bis 20 Uhr im Kinderschutzzentrum in Y.zu sehen. Sein Antrag, die Kinder nach Deutschland mitnehmen zu dürfen, wurde abgelehnt. Unter dem 10.2.2011 wurde die Entscheidung in der 2. Instanz dahingehend abgeändert, dass er 1 × im Monat freitags von 10-20 Uhr und samstags von 10-20 Uhr Umgang mit seinen Kindern haben sollte. Im August 2011 erwirkte der Kindesvater einen Beschluss des Gerichts in Y.zur zwangsweisen Durchsetzung seines Umgangsrechts (Klage Nr. .../2011). Diesen versuchte er, am 2.9.2011 in Erwartung des Widerstandes der Kinder mit Hilfe polizeilicher Gewalt im Familienzentrum in Y., zu dem die Mutter mit den Kindern auf gerichtliche Anordnung erschienen war, durchzusetzen. A.setzte sich sowohl mit Worten als auch mit körperlichem Widerstand derart gegen die Zwangsmaßnahmen zur Wehr, dass die beiden Polizeibeamten vor Ort auf telefonische Weisung ihres Vorgesetzten und gegen den Protest des Vaters die Maßnahme abbrachen. Auch S.reagierte mit Angst und Ablehnung gegenüber dem Vater auf den Vorfall.

Mitte September 2011 begab sich der Vater entgegen dem ausdrücklichen Rat seines Verfahrensbevollmächtigten, aber auf Hinweis des Richters in Y.während eines Gerichtstermins, zu dem die Mutter nicht erschienen war, unangekündigt zur Schule der Kinder in Y., um mit den Lehrern zu sprechen. Er suchte die Kinder jeweils in ihren Klassenräumen auf. S.reagierte erschrocken und ablehnend auf den Besuch des Vaters und forderte ihn auf zu gehen. Auch A.wollte den Vater in der Schule nicht sehen. Er wandte sich wortlos ab, als er den Vater sah, und begab sich in das Büro der Direktorin, die den Vater der Schule verwies.

Im März 2012 erwirkte der Vater in den VAE eine Ausreisesperre für die minderjährigen Kinder. Aus diesem Grund wurde der Mutter und den Kindern am 27.7.2012 am Flughafen D.die Ausreise nach Berlin zum Anhörungstermin vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg am 16.8.2012 verwehrt. Sie konnten erst am 15.8.2012 anreisen.

Nach dem Anhörungstermin vor dem AG Tempelhof-Kreuzberg in Berlin am 16.8.2012 und der Rückkehr der Mutter und Kinder nach Y.bestand der Vater we...

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